Medienmitteilung

Massnahmezentrum St. Johannsen, Le Landeron:
Vertuscht Abteilungsleitung B sexuelle Übergriffe?

Bern, 21.8.2001

Sehr geehrte Damen und Herren

Insassen von St. Johannsen haben sich an die Webworker von www.lorraine.ch/genua gewandt und uns gebeten, die
Geschehnisse der letzten 3 Wochen an die Öffentlichkeit zu bringen. Es geht um sexuelle Übergriffe in der Abteilung B,
die nach anstaltsinternem Bekanntwerden zu einer kafkaesken Eskalation führten. Im folgenden eine Dokumentation
der Geschehnisse im Massnahmenzentrum St. Johannsen in Le Landeron.



Freitag 17.8.2001

Medienmitteilung der Insassen des Massnahmenzentrums St. Johannsen
Massnahmezentrum St. Johannsen: Vertuscht Abteilungsleitung B sexuelle Übergriffe?

Vor knapp drei Wochen ist es in der Abteilung B des Massnahmenzentrum St. Johannsen Le Landeron zu schwerwiegenden sexuellen
Übergriffen unter Insassen gekommen, die von Teilen der Abteilungsleitung B - so empfinden wir es jedenfalls - nicht nur toleriert,
sondern auch vertuscht werden. Die Übergriffe wurden erst bekannt, als sich das Befinden des Opfers von Tag zu Tag rapide
verschlechterte und zwar soweit, dass er jeglichen Kontakt zu allen Mitgefangenen abbrach und erst nach einem missglückten
Selbstmordversuch nur mit allergrösster Mühe über das Geschehene sprechen konnte, wobei er vor Angst und Anspannung stark
zitterte und weinte.
Obwohl der verantwortliche Abteilungsleiter Peter Schmucki unverzüglich über diesen sexuellen Übergriff in Kenntnis gesetzt worden
war, ist bis heute ausser einem kurzen Gespräch mit Opfer und Täter weder eine gründliche interne Untersuchung eingeleitet noch
polizeiliche Abklärungen getroffen worden. Erst nach dem abteilungs- und anstaltsinternen Bekanntwerden und der ultimativen
Drohung von Insassen, mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, wurde heute das Opfer auf der Abteilung befragt und ein
Protokoll erstellt. Nach dieser Protokollaufnahme stand das Opfer erneut stark unter Druck und äusserte Angst vor Abteilungsleiter
Schmucki, welcher ihn wegen des Bekanntwerdens dieses Übergriffes unter Druck setze.
Es besteht nach dem Erstellen des Berichts mit 3-wöchiger Verspätung und der Art und Weise, wie die Abteilungsleitung die
Untersuchung ausführt, begründeter Verdacht, dass das Delikt vertuscht werden soll, denn nur so lässt es sich erklären, dass das Opfer
bis heute weder Gelegenheit hatte, mit dem Direktor des Massnahmezentrums noch mit den zuständigen Leiter der Anstalt zu
sprechen, obwohl dies schon nur bei kleineren internen Regelverstössen üblich ist.
Diese Vergewaltigung wurde trotz grober Einschüchterungsversuchen gegen das Opfer (bis hin zu Mord- und sonstigen
Gewaltdrohungen) seitens des Täters und dessen Umfeldes - falls dieser Abteilungs-, Anstaltsleitung und/oder Polizei informiert - publik.
Unverständlich ist das bisher unbegreifliche Versäumnis der Abteilungsleitung B, das Anliegen und unsere Forderungen ernst zu
nehmen und sofort entsprechende Schritte zu unternehmen.
Dies hätte sich bis heute nicht geändert, wäre dieser Übergriff nicht anstaltsintern bekannt geworden und hätte der Druck der Insassen
die Abteilungsleitung B nicht derart in Zugzwang gebracht. Wenigstens hat heute, widerwillig zwar, eine nochmalige Protokollaufnahme
des Opfers durch Abteilungsleiter Schmucki stattgefunden. Doch offenbar sieht dieser keinen Grund, trotz der massiven Drohungen
seitens des Täters etwas zum Opferschutz beizutragen und ist auch nicht gewillt zu handeln, denn sonst hätte man längst
Vorkehrungen treffen und den Täter zur weiteren Untersuchung der Polizei übergeben müssen.
Doch davon ist bisher nichts geschehen. Der Täter hat keinerlei Konsequenzen seines verbrecherischen Handelns zu spüren
bekommen. Im Gegenteil. Er weilt derzeit sogar im Wochenendurlaub und wird während den Werktagen über die Anstalt extern
beschäftigt. Er ist in den anderen Abteilungen von St. Johannsen als "Tyrann der Abteilung B" bekannt, terrorisierte wiederholt
Insassen und ist ziemlich aggressiv gegenüber seinen Mitinsassen. Auch dies wurde der Abteilungsleitung B immer wieder gemeldet.

Aufgrund des bisher Vorgefallenen ist es dringend nötig, über die Vorfälle in der Abteilung B eine polizeiliche Befragung durchzuführen,
das Opfer angemessen zu schützen und den Täter während der Befragungen in Untersuchungshaft zu setzen. Weiter ist es
unabdingbar, den Gründen für das anstaltsinterne Verheimlichen der Tatsachen und insbesondere die unterlassene Meldung des
Vorfalls an die Polizei genau zu untersuchen und zu ahnden.

Le Landeron, 17.8.2001
Insassen des Massnahmenzentrums St. Johannsen
 

Dieses Mediencommuniqué wurde uns von Insassen zugestellt, mit der Bitte, abzuwarten, ob sich nicht doch noch was in der Anstalt
bezüglich der ganzen Geschehnisse bewegt und sich eine für alle akzeptable Lösung findet. Wir blieben mit den Insassen in Kontakt.


Laut Insassen sieht es in St. Johannsen bezüglich der Vergewaltigung folgendermassen aus:
Während viele Angestellte schockiert über die Geschehnisse seien und fänden, man müsse was machen, verharmlosen einzelne
Anstaltsleitungs-Repräsentanten die Situation: Das sei nur eine Eifersuchtsgeschichte und gar nie so passiert, das Opfer sei nicht
ernst zu nehmen und habe grosse psychische Probleme, etc.



Freitag Abend, 17.8.2001
Am frühen Abend verlangt das Opfer von seiner Betreuerin Kopien der beiden Befragungsprotokolle. Dies wird ihm verweigert.
Zwischen 20 und 21 Uhr ruft das Opfer die Polizei an. In der Anstalt nehme ihn niemand ernst, er fühle sich bedroht. Eine
zweiköpfige Polizeistreife erscheint um ca. 21 Uhr in der Massnahmenanstalt St. Johannsen. Die Betreuerin geht mit Dokumenten
(offenbar den Protokollen) in's Sekretariat, zeigt sie den Polizisten. Laut Insassen soll Abteilungsleiter Schmucki die Polizisten
abgewimmelt haben. Der Insasse (das Opfer), der angerufen habe, sei, so Schmucki gegenüber der Polizei, psychisch gestört und
erzähle Blödsinn. Die Polizisten gehen wieder. Das Opfer wird wegen angeblicher Suizidgefahr in den "Bunker" (Strafe, Einzel- und
Isolationshaft) versetzt.


Samstag, 18.8.2001
Laut Mitteilung der Insassen geht es in St. Johannsen "drunter und drüber". Dass das Opfer jetzt im Bunker sitzt, ist für alle
unverständlich. Um ca. 13 Uhr wird das Opfer aus dem Bunker geholt und nach Biel gebracht wo er in Untersuchungshaft gesetzt
wird. Abteilungsleiter Schmucki soll das Opfer wegen "Verleumdung" angezeigt.
Der Täter wird bald aus dem Wochenendurlaub zurückkehren. Gespannt warten alle, wie die Anstaltsleitung reagieren wird. Sofortige
Festnahme, Einzeleinschluss, keine Reaktion? Viele sind wütend und erwarten von der Anstaltsleitung, dass der Täter von der
Anstaltsleitung in irgendeiner Form zur Rechenschaft gezogen wird.


Freitag oder Samstag gibt es in der Abteilung B eine Sondersitzung mit den Insassen. Abteilungsleiter Schmucki bestreitet, dass das
Opfer ihm gegenüber etwas von sexuellen Übergriffen erwähnt habe. (Dies widerspricht den Aussagen in den Gesprächen, die
verschiedene Insassen mit dem Opfer geführt haben. Die Betreuerin des Opfers lobte gegenüber Insassen sogar das Opfer dafür,
dass dieser die sexuellen Übergriffe gemeldet habe.)
An der Sondersitzung erklärt Schmucki weiter, dass er das Opfer wegen den "Behauptungen" von sexuellen Übergriffen und weil er
finde, die Anstalt nehme ihn nicht ernst, wegen Verleumdung anzeigen werde. Dasselbe droht er auch jenen an, die sich in ähnlicher
Art und Weise äussern. An der Sondersitzung nennt Schmucki das Opfer einen Lügner und Idioten und erzählt, nachdem er gesagt
hat, er dürfe das ja eigentlich gar nicht, Details aus dem Intimleben des Opfers.


Montag, 20.8.2001
Das Opfer sitzt isoliert und ohne Betreuung in der Sicherheits-/Untersuchungshaft in Biel. Der Täter kann nach wie vor draussen
arbeiten. Wenn er in die Anstalt zurückkommt, schliesst er sich sofort in seiner Zelle ein. Die Insassen bitten uns, die
Medienmitteilung abzuschicken.


Die Forderungen der Insassen von St. Johannsen
- Sofortige Betreuung des Opfers
- Ein Anwalt oder Anwältin für das Opfer
- Psychische Beratungshilfe für das Opfer

Wir, die Webworker von www.lorraine.ch/genua, können und wollen nicht die Veranwortung für den Umgang mit einen
solchen schweren Fall übernehmen. Wir geben deshalb die Verantwortung ab an:

- die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, damit diese Ihre Aufsichtspflicht wahrnimmt und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft zieht
- den Menschenrechtsverein Augenauf Bern, damit der Kontakt zum Opfer im Gefängnis hergestellt werden kann und der Fall weiter
seriäs beobachtet und dokumentiert wird
- die Demokratischen Juristinnen und Juristen, damit ein/e Anwalt/Anwältin das Opfer in Rechtssachen berät
- die Opferhilfe Bern, damit das Opfer beratende und finanzielle Unterstützung bekommt
- die Öffentlichkeit, damit über den weiteren Verlauf des Falles weiter berichtet wird

Wir sind uns bewusst, dass die Darstellung der Geschehnisse fehlerhaft sein kann. Das liegt unter anderem daran, dass die Kommunikation mit den Insassen von St. Johannsen sehr kompliziert ist. Wir haben aber in diesem Fall nicht den Anspruch auf Detailgenauigkeit - die sollen andere erarbeiten. Uns geht es darum, diesen schweren Fall an die Öffentlichkeit zu bringen.
Wir schliessen uns den Forderungen der Insassen von St. Johannsen an.

Bern, 21.8.2001

www.lorraine.ch/genua - webworker



Weiterführende Links:

Homepage St. Johannsen:
http://www.be.ch/cgi-bin/frameset.exe?http://www.pom.be.ch/fb/johannsen/d.htm

Polizei- und Militärdirektion
http://www.pom.be.ch/web/indexD.htm

Menschenrechtsverein Augenauf
www.augenauf.ch

Demokratische Juristen und JuristInnen
http://www.djs-jds.ch

Beratungsstelle Opferhilfe
Eigerplatz 5
3007 Bern
Tel. 031 / 372 30 35
Fax 031 / 372 30 39
http://www.sodk-cdas-cdos.ch/Opferhilfe/bern.html

Öffentlichkeit
www.zeitung.ch