www.bund.ch, 29.8.2001

AUSLAND

Verfahren gegen 16 Polizisten wegen Gewalt bei G-8-Gipfel

ITALIEN / Die italienische Justiz hat gegen 16 Polizisten Verfahren wegen gewalttätiger Übergriffe beim G-8-Gipfel im Juli in Genua eingeleitet. Gegen sie werde wegen Körperverletzung ermittelt, berichteten italienische Medien heute Mittwoch.

sda.Die Beamten hatten am 21. Juli an der Razzia in einer Schule teilgenommen, in der Globalisierungsgegner übernachteten. Dabei waren Dutzende Personen geschlagen und teilweise schwer verletzt worden. Anschliessend waren sie in ein Gefängnis gebracht worden.

Die Justizbehörden in Genua setzen inzwischen ihre Ermittlungen um den Tod des 23-jährigen Demonstranten Carlo Giuliani fort, der bei einem Angriff auf einen Polizeijeep in Genua von einem Carabiniere erschossen worden war. Die Ermittler konnten bereits vier junge Demonstranten identifizieren, die gemeinsam mit Giuliani das Polizeiauto mit Feuerlöschern angegriffen hatten.

«Ich bin sicher, dass Carlo nicht begriffen hat, dass der Carabiniere die Pistole in der Hand hatte und auf ihn schiessen wollte. Alles war so unwirklich», berichtete ein 30-jähriger Genueser, der wegen Beteiligung an einem Angriff auf die Polizei festgenommen wurde.

Gutachten: «Notwehr»
Vernommen wurde auch der Arzt, der mit einem Gutachten für die Ermittler feststellen musste, in welchem psychologischen Zustand sich der 20-jährige Carabiniere Mario Placanica befand, als er auf Giuliani schoss. Laut dem Arzt war Placanica beim Angriff in Panik geraten.
«Er war überzeugt, er würde sterben», berichtete der Arzt. Seine Worte bestätigen die Ansicht von Placanicas Rechtsanwalt, wonach sein Mandant aus reiner Notwehr auf Giuliani geschossen habe.
Für Polemik sorgt in Rom die Vernehmung des abgesetzten Polizeichefs von Genua, Francesco Colucci, vor der parlamentarischen Untersuchungskommission, welche die Hintergründe der Unruhen in Genua aufklären will.

Colucci beschuldigte den Dachverband der Globalisierungskritiker «Genoa Social Forum»(GSF), nichts unternommen zu haben, um die Mitglieder gewalttätiger Anarchistengruppen anzuzeigen, die sich unter die Pazifisten gemischt hatten. Das GSF habe in mehreren Fällen die Anarchisten sogar vor der Polizei in Schutz genommen. Colucci war nach den Krawallen in Genua seines Amtes enthoben worden.