Extremisten-Datenbank
GEWALTPROTEST†/ Das Bundesamt für Polizei (BAP) erwägt, Globalisierungsgegner in einer Datenbank zu speichern.
bin. Aus den Globalisierungs-Protesten könnte ein neuer Terrorismus
entstehen. Das schreibt das Bundesamt für Polizei (BAP) in
einer Analyse der jüngsten Proteste. Um diese Entwicklung zu verhindern,
werden einerseits mehr «Dialog»mit den
Globalisierungsgegnern empfohlen, andererseits mehr polizeiliche «Prävention».
Nach Angaben aus dem BAP wird «intern geprüft»,
ob die bestehenden Staatsschutz-Bestimmungen auf die Gewalt bei Demonstrationen
oder den Hooliganismus bei Sportanlässen
auszudehnen seien. Das würde weitergehende Überwachungsmassnahmen
erlauben. Erwogen wird insbesondere die Einrichtung
einer Extremisten-Datenbank wie sie der deutsche Innenminister Schily
vorschlägt.
Zurück in die Siebzigerjahre
PROTEST†/ Das Bundesamt für Polizei analysiert die jüngsten
Grossproteste (Göteborg, Genua, Davos) und stellt fest: Aus dem
«Gewaltpotenzial» in der Antiglobalisierungsbewegung könnte
eine «terroristische Bewegung» werden. Mehr Prävention
wird
empfohlen, über eine Demonstranten-Datenbank wird nachgedacht.
ï JOHANN AESCHLIMANN
Wird aus den Globalisierungs-Demos eine neue Protestwelle wie in den
Siebzigerjahren?Ist der erschossene G-8-Demonstrant Carlo
Giuliani ein neuer Benno Ohnesorg?Wird er wie in den Siebzigerjahren
der erschossene Teilnehmer der Berliner
Schah-Demonstration zum Rechtfertigungsgrund eines Terrors?
Das suggeriert ein gestern vom Bundesamt für Polizei (BAP) veröffentlichter
Beschrieb der Globalisierungs-Proteste von Seattle
(1999) bis Genua (2001). Mehrfach knüpft der Bericht an die Siebzigerjahre
an. Viele Akteure der Antiglobalisierungsbewegung
stünden «in der Tradition der hauptsächlich in den
70er-Jahren aktiven Neuen Linken oder Neomarxisten». Von hier stamme
auch
die Auffassung der vom Staatsapparat ausgehenden «strukturellenGewalt»,
welche die im Protest angewandte Gewalt als «legitime
Notwehr» erscheinen lasse.
Als weitere Elemente der Antiglobalisierungsbewegung werden die Ökologen,
die «autonomen und anarchistischenGruppen» sowie
«wertkonservative Kreise»von rechts und links genannt.
Auch die Jugendgewalt trete hinzu, die sich in einer «galoppierenden
Hooliganisierung öffentlicher Anlässe jeder Art» niederschlage.
«Terroristisch»
Der BAP-Bericht bescheinigt den Globalisierungs-Gegnern eine beachtliche
Professionalität beim Organisieren und Kommunizieren.
Über E-Mail würden auch «konspirative Treffen»
abgemacht, bei denen «schon im Vorfeld gewalttätige Aktionen
diskutiert und
geplant» würden. Ein Nachlassen der Proteste wird nicht
erwartet. In zwei bis fünf Jahren könne sich der Protest «zu
einer
eigentlichen terroristischen Bewegung» entwickeln, bei der «ein
harter Kern» auf «terroristische Mittel» ausweiche, schlussfolgern
die
Bundes-Analytiker.
Dialog und Prävention
Was tun?Der BAP-Bericht empfiehlt auf der einen Seite mehr und ernsthafteren
Dialog mit den «friedfertigen Aktivisten». Die
Regierung soll «als Zeichen guten Willens» auch mit solchen
Gruppen sprechen, die sich von der Gewalt nicht distanzieren, selber
aber keine anwenden. Darüberhinaus wird gegen «erkannte
Unruhestifter» mehr Prävention empfohlen. Dazu sollen «die
gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die entsprechenden Ressourcen
bereitgestellt werden».
Die Vorreiterrolle fällt dabei dem Kampf gegen den Rechtsextremismus
zu. Im Auftrag des Bundesrates muss das Bundesamt für
Polizei bis Ende Oktober Massnahmen dazu vorschlagen. Eine davon könne
eine Ausweitung des Begriffs «Gewaltextremismus» im
bestehenden Staatsschutzgesetz sein, erklärt ein BAP-Mitarbeiter.
Auf diese Weise sollten Propaganda-Delikte oder
Vorbereitungshandlungen dem polizeilichen Zugriff zugeführt werden.
Es werde «intern geprüft», ob diese begriffliche Erweiterung
in
einem zweiten Schritt, eventuell bis Ende Jahr, auch auf den Hooliganismus
und die Demonstrations-Gewalt auszuweiten sei.
Italiens Polizei klagt über EU-Datenschutz
ssr/jae. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Ausschreitungen
beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua hat
Italiens Polizeichef Gianni De Gennaro am Dienstag die mangelnde Kooperation
mit der Polizei der EU-Staaten angegriffen. Diese
hätten es versäumt, Italien über die gewalttätigen
Randalierer des so genannten «Black Block» zu informieren.
So habe man keine
Namenslisten der zuvor bereits in Nizza, Göteborg und Salzburg
auffälligen Krawallmacher erhalten. «Die ausländische Polizei
hat
aus Datenschutzgründen geschwiegen», heisst es im Bericht
des Polizeichefs. In einigen EU-Staaten lässt die
Datenschutz-Gesetzgebung eine Herausgabe von Namenslisten nicht zu.
Aus diesem Grund lagen den Polizeikräften in Genua
beispielsweise keinerlei Informationen aus Griechenland vor. Daher
forderte der deutsche Innenminister Otto Schily bereits die
Einführung eines Datenabgleichs, wie er für die Bekämpfung
von gewalttätigen Hooligans bereits existiert.
Ganz ohne Informationen waren die Einsatzkräfte vor dem G-8-Gipfel
Ende Juli jedoch nicht geblieben. Genuas inzwischen
suspendierter Polizeichef Francesco Colucci hatte bereits am 12.Juli
einen Bericht vorgelegt, in dem die aus ganz Europa
anreisenden Demonstrations-Gruppen genau erfasst waren. Der ging laut
Angaben von Polizeichef De Gennaro allerdings auf das
Konto des italienischen Geheimdienstes.
Schweizer Daten geliefert
Die Schweizer Behörden erklären, es seien keinerlei Personendaten
auf blossen Verdacht hin nach Italien geliefert worden. Hingegen
wurden den italienischen Behörden Daten aus der Schweizer Staatssicherheits-Datenbank
Isis zur Verfügung gestellt. Das wurde in
der vergangenen Woche vom Datenschutzbeauftragten als rechtens erklärt,
da es um erhebliche Sicherheitsinteressen Italiens
gegangen sei.
Wasserfallen will mehr
Kurt Wasserfallen, der Berner Polizeidirektor und FDP-Nationalrat, unterstützt
eine Lockerung der Schweizer Datenschutzvorschriften
beim Kampf gegen Globalisierungsgegner. Beispielsweise müsse bei
der Telefonüberwachung mehr möglich werden. «Wir müssen
schon an die Nervenzentren und Hirne der konspirativen und extremen
Organisation herankommen und die Leute observieren.»