© Facts; 2001-10-04; Seite 55; Nummer 40

  Schweiz

  WEF

Das WEF vor dem Aus
Demo
Verweigert die Zürcher Polizei dem Davoser Forum die Unterstützung, muss es abgesagt werden.

  Von Andreas Schmid

  Diesmal will die Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer gewappnet sein.
  Dass Globalisierungsgegner ihren Frust über eine vereitelte Demonstration
  am Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) in Zürich abreagieren, soll nicht
  mehr vorkommen. Maurer hat der Vorwurf tief getroffen, Chaoten hätten am
  27. Januar 2001 unbehelligt Zürichs Steuerzahler geschädigt, während ihre
  Stadtpolizei in Davos die Mächtigen der Welt beschützte.
  Die aktuelle Situation rund um das WEF ist brenzlig: Für die Bündner Regierung
  stehen die Sicherheit der Bevölkerung, die Zukunft des Weltwirtschaftsforums,
  viel Prestige und Millioneneinnahmen für den Tourismus auf dem Spiel.
  Für SP-Politikerin Maurer geht es am 3. März 2002 um die Wiederwahl in den Zürcher
  Stadtrat.
  Die Stadtpolizei Zürich soll sich während des nächsten WEF vom 31. Januar
  bis 5. Februar 2002 auf ihre eigentliche Aufgabe - die Sicherheit in Zürich
  -  konzentrieren können, fordert Maurer. Sie will sogar die Zürcher Kantonspolizei
  zur Verstärkung beiziehen. «Wir brauchen vereinte Kräfte», begründet die
  Polizeivorsteherin das Gesuch, das der Stadtrat letzte Woche an die Zürcher
  Regierung abgeschickt hat.

  Das sind schlechte Aussichten für die Bündner Regierung, denn sie rechnet
  für das WEF 2002 wieder fest mit Einheiten von Stadt- und Kantonspolizei
  Zürich - in den letzten Jahren stellten die beiden grössten Schweizer Polizeikorps
  stets mächtige Kontingente. Zwar hat die Zürcher Regierung dem Bündner Gesuch
  grundsätzlich entsprochen, wieder Kantonspolizisten für das WEF zu stellen.
  «Der Umfang wird allerdings wesentlich davon abhängen, wieweit im Zusammenhang
  mit dem Weltwirtschaftsforum polizeiliche Sondereinsätze im Raum Zürich
  selber nötig werden», sagt Regine Sauter, Informationsbeauftragte der Direktion
  für Sicherheit des Kantons Zürich. Eine Unterstützung der Stadtpolizei sei
  - bei Bedarf - «selbstverständlich».
  Die in Zürich eingesetzten Kantonspolizisten würden dem WEF fehlen. Falls
  es überhaupt stattfindet. Das ist vier Monate vor dem Anlass noch ungewiss,
  denn die Bündner Regierung hat stets betont, dass die Sicherheit ohne
  Stadtpolizei Zürich nicht zu gewährleisten sei. «Es gilt nach wie vor, dass wir das WEF
  ohne die demonstrationserprobten Zürcher Stadtpolizisten kaum durchführen
  können», sagt der Bündner CVP-Regierungsrat Stefan Engler.
  Polizeivorsteherin Esther Maurer wird allerdings kaum Verstärkung von der
  Zürcher Kantonspolizei anfordern und gleichzeitig ihre Stadtpolizisten nach
  Davos delegieren. Den definitiven Entscheid hat der Stadtrat zwar noch nicht
  gefällt, doch Maurer sagt: «Ich bin skeptisch, denn Priorität hat für uns
  die Sicherheit in Zürich.» Unter unveränderten Bedingungen stelle sie für
  das WEF 2002 keine Zürcher Stadtpolizisten zur Verfügung.
  «Dass Frau Maurer nach den Ereignissen am diesjährigen Forum vorsichtig
  geworden ist, ist nur verständlich», sagt Stefan Engler. Esther Maurer gibt
  sich weniger diplomatisch. Sie habe lange nichts mehr aus Graubünden gehört,
  nachdem Regierungsrat Peter Aliesch das Dossier entzogen worden ist. Die
  verärgerte Zürcher Polizeivorsteherin hat die Bündner Regierung nun in einem
  Brief aufgefordert, ihr endlich das Sicherheitskonzept für das Forum 2002
  vorzulegen. Der Erklärungsbedarf sei nach den Ausschreitungen beim G-8-Gipfel
  in Genua und den Anschlägen in New York noch grösser geworden, findet
  Maurer.

  Die Zürcher Stadträtin will sich ihre Wiederwahl nicht wegen des WEF in
  Davos verscherzen. «Unsere Steuerzahler wollen sicher sein», sagt Maurer.
  «Dass Frau Maurer vorsichtig geworden ist, ist verständlich.» Stefan Engler,
  Regierungsrat GR
  Selbstschutz: Stadträtin Esther Maurer will ihre Polizisten in Zürich.
  Fotos: Tom Haller, Rainer Bolliger/SPB