Kommentar der Woche
Feindliche Truppen
Heiner Busch
Alt Bundesrat Kurt Furgler (CVP) kann sich freuen. Seine politische Enkelin Ruth Metzler (CVP) - wie er an der Spitze des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) - greift alte Pläne wieder auf. Im Dezember 1978 lehnten die Stimmberechtigten die Bundessicherheitspolizei (Busipo) des Repressionsministers ab. Das linke Referendum schaffte es auf 56 Prozent Neinstimmen. Ruth Metzler war gerade vierzehn Jahre jung.
Mehr als zwei Jahrzehnte später meidet die heutige Bundesrätin das Kürzel Busipo, wo es nur geht, und propagiert stattdessen eine "sicherheitspolizeiliche Eingriffsreserve des Bundes". Gemeinsam mit den kantonalen PolizeidirektorInnen hat sie 1999 das Projekt USIS - "Überprüfung der Inneren Sicherheit der Schweiz" - aufgegleist. In dessen zweitem Bericht vom September letzten Jahres wird wieder einmal eine "sicherheitspolitische Lücke" ausgemacht: Die Polizeien der Kantone seien nur auf die "Normallage" ausgerichtet, für besondere und aussergewöhnliche "Lagen" müsse zunehmend die Armee herangezogen werden. Innere Sicherheit sei eine zivile Aufgabe und deshalb brauche es mehr Polizei: für den Schutz von Botschaften, für internationale Konferenzen, für besondere Situationen wie beim Wef in Davos.
Der Einsatz der Armee soll nicht ausgeschlossen, sondern vermieden werden - und zwar durch 800-1000 zusätzliche PolizistInnen. Einen Teil davon soll Ruth Metzlers neue Busipo stellen, und diese ist das krasse Gegenteil einer zivilen und demokratischen Alternative: Eine polizeiliche Eingriffsreserve ist ein Mittel der leichten Hand. Anders als die Armee bräuchte sie keine besondere Legitimation, wäwre für den bereitschaftspolizeilichen Einsatz ausgebildet und könnte ohne viel Federlesen zu mehr als bloss zum Objektschutz eingesetzt werden.
Die Gefahren einer solchen Truppe sind klar: Diese Bereitschaftspolizei würde nur für spezielle Aufgaben herangezogen. Mit alltäglichen Tätigkeiten und Konflikten, der "Normallage", mit der sich die Kantons- und Stadtpolizeien befassen müssen, hätte diese Truppe nie zu tun. Die ihr gegenüberstehenden BürgerInnen würde sie deshalb auch nicht als TrägerInnen demokratischer Rechte, sondern vielmehr als Störenfriede, als Feinde wahrnehmen. Ruth Metzlers Eingriffsreserve fördert den Einsatz polizeilicher Gewalt zur Lösung politischer oder sozialer Konflikte.
Wer das nicht will, der muss den Mut zur "sicherheitspolizeilichen Lücke" haben. In der Parlamentsdebatte zur Busipo im Dezember 1977 erinnerte der damalige SP-Nationalrat und Parteipräsident Helmut Hubacher an die Besetzung des Baugeländes für das AKW Kaiseraugst 1975. "Wir waren alle froh, dass es in Kaiseraugst nicht zu Gewalttaten, sondern schlussendlich zu einem Gespräch am Verhandlungstisch gekommen ist. Verhandlungen gab es nur, weil der Kanton Aargau über zu wenig Polizei verfügte, um gegen die Demonstranten vorzugehen, weil verschiedene Kantone dem Kanton Aargau nicht mit Polizeieinsatz zu Hilfe geeilt waren. Hätten wir eine Sicherheitspolizei gehabt, dann wäre die Chance der Verhandlungen gar nicht wahrgenommen worden."
In Davos 2001 gab es diese demokratische Lücke nicht. Eine Armada kantonaler Polizeitruppen und militärischer Festungswächter setzte das antidemokratische Demonstrationsverbot durch. Der Ersatz der Festungswächter durch eine polizeiliche Knüppeltruppe des Bundes macht dieses Verbot nicht demokratischer.