SCHWEDISCHE ZEITUNGSARTIKEL ZU DEN VERFAHREN UND
VERURTEILUNGEN GEGEN DAS INFOTELEFON GÖTEBORG
Göteborgs-Posten 2002-01-16
JUGENDLICHE ANGEKLAGT, WEIL SIE EINEN STEINESCHMEISSER BEFREIT
HABEN SOLLEN
Artikel über ein 18- bzw. 19-jähriges Pärchen, das wegen
"gewaltsame Versammlung" und Beihilfe zur Flucht angeklagt ist; außerdem
ist die 19-Jährige wegen Diebstahl angeklagt. Der Staatsanwalt hält
es für erwiesen, dass die Frau bei dem Anzünden von Möbeln
vor einem Restaurant beteiligt war und dass sie ein Fußballtrikot
geklaut haben soll. Ansonsten behandelt der Artikel sehr ausführlich
die Schilderungen eines 57-jährigen Belastungszeugen. Dieser war zufällig
auf der Kungsportavenyn, als dort die Krawalle ausbrachen. Als er einen
Jugendlichen am Einschmeißen einer Scheibe hinderte, wurde er von
zwei Demonstranten überwältigt und der verhinderte Gewalttäter
konnte fliehen. Die zwei sollen die beiden Angeklagten gewesen sein. Die
Angeklagten haben zugegeben, dass sie zum fraglichen Zeitraum (Freitag,
der 15 Juni) sich auf der Avenyn befanden.
[noch mehr infos gibt's unter
http://www.klassekampen.no/cgi- bin/nyheter.pl/2002/01/1402.html,
http://www.klassekampen.no/cgi- bin/nyheter.pl/2002/01/1402.html,
http://www.de.indymedia.org/2002/01/13789.html]
(aus "Dagens Nyheter", 16.01.2002; schwedenweite Tageszeitung)
INFOTELEFON ENTDRAMATISIERT.
GÖTEBORG. Die Linke hört Polizeifunk während Demonstrationen
ab. Die Informationszentrale, die während des EU-Gipfeltreffen eingerichtet
wurde, hatte keine dunklen Absichten, sagten mehrere neue Zeugen am Mittwoch
aus. [...] Anders Svensson, Vertreter der Sozialistischen Partei, der aber
auch eine wichtige Rolle in der Dachorganisation "Göteborgsaktion
2001" während des EU-Gipfels spielte, stufte die Bedeutung der Informationszentrale
herab als er am heutigen Mittwochvormittag vor Gericht als Zeuge aussagte:
"Ich bin 25 Jahre lang Demonstrationsverantwortlicher in meiner Partei
gewesen. Es ist gewöhnlich, dass wir den Polizeifunk abhören
und wir haben Späher draußen auf dem Feld, die die Demonstrationsleitung
über eventuelle Gefahren informieren können." Provokatöre
in den eigenen Reihen, Angriffe von Außen von beispielweise Nazis
und ungerechtfertigte Gewalt von Seiten der Polizei -
das machen Bedrohungen aus, die die Demonstrationsleitung
mit Hilfe einer gut funktionierenden Informationszentrale entgegentreten
kann. Anders Svensson fand nichts Ungewöhnliches daran, dass eine
solche Tätigkeit in Rahmen der großen Demonstrationen in Göteborg
stattfand. "Nach meiner Auffassung war es die Antifaschistische Aktion
(AFA), die die Zentrale unterhielt. Das ging aus einem Vorbereitungstreffen
der Göteborgsaktion hervor. Aber ich habe nie Berichte über den
Verlauf der Arbeit erhalten," erklärte er. Svensson hätte selbst
Initiative zu einer solche Organisationsstruktur ergriffen, wenn es nicht
durch die AFA geregelt worden wäre. Nun wurde aber die Informationszentrale
bereits in der Nacht vom Donnerstag, den 14., auf Freitag, den 15 Juni,
zerschlagen. "Hätten wir auch in den folgenden Tagen eine funktionierende
Informationszentrale gehabt, hätten die Polizeischüsse am Wasaplatz
vermieden werden können", vermutet Anders Svensson, der ironischer
Weise Programmierer für Anwendungen zum Versand von SMS-Nachrichten
ist. Auch Annika Tigerryd, Gewerkschafterin und wie Andres Svensson Hauptfigur
in der Göteborgsaktion 2001, sagte zu Gunsten der acht Jugendlichen
aus. Hans Abrahamsson, wortführend bei Attac Göteborg und Hauptverantwortlicher
für den Dialog zwischen der EU-Spitze und EU-kritischer Organisationen
während des Gipfeltreffens, versuchte bei seiner Aussage dem Gericht
ein Bild über die Stimmung, die in Göteborg herrschte, wiederzugeben:
"Es gibt einen enormen Vertrauensmangel bei jungen Menschen den gesellschaftlichen
Institutionen gegenüber. Ich bin unter anderem auf eine bedeutende
Angst unter jungen Menschen vor Misshandlungen durch die Polizei, wie bei
dem EU-Finanzministertreffen in Malmö im Frühling 2001, gestoßen."
Göteborgs-Posten 2002-01-16 (Zusammenfassung)
ZUSAMMENHANGSZENTRALE WAR NICHT GEHEIM
Inhaltlich vergleichbar mit dem "Dagens Nyheter"- Artikel aus der letzten
Mail: Aussage Anders Svensson (Sozialistische Partei), der Infozentralen
als normal und notwendig beschreibt und zugibt, dass seine eigene Partei
ebenso eine solche unterhielt. Nach Wegfall der Infozentrale übernahm
die SAC das Abhören des Polizeifunks. Auf die Frage des Staatsanwaltes
nach der Auffassung der AFA von Gewalt antwortet er: "Dieselbe wie die
Volkspartei [Folkspartiet]. Mit richtigen Ziel kann man Gewalt anwenden.
Das ist eine normale Ansicht in der schwedischen Gesellschaft, soweit ich
weiß." Seine Ansicht nach unterscheide sich die Gewalttätigkeit
der AFA in Göteborg nicht zu der von anderen linken Organisationen.
Der Artikel endet mit: Werden die Jugendlichen auch durch das Oberlandesgericht
verurteilt werden, so wird die Polizei wohl schnell gegen andere Teile
der AFA-Infozentrale zuschlagen - Kontakte, Späher und andere, die
auf verschiedenen Ebenen in die Tätigkeiten einbezogen waren.
LETZTER PROZESSTAG (17.01.2002)
Aus zwei Artikeln aus "Göteborgs-Posten" und "Dagens Nyheter"
vom 17.01.2002 über den letzten Prozesstag geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft
weiterhin auf eine Verurteilung besteht. Die Staatsanwaltschaft fordert
eine Verurteilung wegen Anstiftung zur gewalttätigen Versammlung,
wofür die Höchststrafe 10 Jahren Gefängnis vorsieht. Wunsch
der Staatsanwaltschaft ist aber, dass die Urteile aus dem Geschworenenverfahren
bestätig werden. In der gesamten Verhandlung konnte nicht ermittelt
werden, wer was gemacht hat. Laut Staatsanwalt sei das nicht notwendig,
da "es offensichtlich ist, dass es im Einverständnis und nach genauer
Planung geschehen ist." "Die Zentrale beschäftigte sich in keinster
Weise mit gewöhnlichen Informationen. Es gab keinen Anlass eine solche
gut durchdachte Organisation, wenn die Absicht nicht das Schüren von
Konfrontationen mit der Polizei gewesen wäre." Dass Aussagen, die
der Polizei gegenüber gemacht wurden, später teilweise zurückgezogen
wurden, wertete der Staatsanwalt als Beweis für die Unglaubwürdigkeit
der Angeklagten. Die Verteidigung forderte Freispruch. Die Verteidigung
legte als entlastendes Material Ausdrucke von der Internetseiten der Göteborgs-
Posten für den betreffenden Tag vor. "Die Informationen, die von der
Zentrale verschickt wurden waren allgemein zugänglich und hätten
genauso gut von Webseite von Tageszeitungen geholten werden können."
Übersetzt aus "Göteborg-Posten" vom 18.01.02
UNEINIGKEIT BEI GERICHT ÜBER ABSICHT DER INFOZENTRALE
Anklage und Verteidigung war sich in einem Punkt einig als gestern
[17.01.02] der Prozess gegen die heimliche Infozentrale der Antifaschistischen
Aktion (AFA) sein Ende fand: Viele von denen, die die Tätigkeiten
geplant und ausgeführt hatten, waren nicht vor Ort. "Es gibt eine
Anzahl Personen im Hintergrund und wir wissen nicht, welche Rolle diese
gespielt haben", sagte einer der Verteidiger. Unter den Hintergrundfiguren,
die der Verteidiger erwähnte - und deren Rollen in der Infozentrale
bisher nicht geklärt sind - war ein 46-jähriger Syndikalist,
der die Wohnung in der Skäpplandsstraße [in der sich die Infozentrale
befand] gemietet hat und an den Vorbereitungstreffen teilgenommen hat,
eine Frau, die eine Wohnung in der Götaholmsstraße, in der sich
ein weiterer Teil der Organisation befunden haben könnte, gemietet
hat, zwei AFA- Aktivisten, die an der 'Göteborgsaktion 2001' beteiligt
waren und weitere Personen, die ergriffen wurden, als die Polizei gegen
die Infozentrale vorging, aber bisher nicht angeklagt sind. "Die Ermittlungen
laufen in dieser Richtung weiter", sagte der Staatsanwalt Peter Larsson.
Die Anklage und Verteidigung waren sich auch einig, dass die acht Jugendlichen,
die bereits von einem Geschworenengericht zu Haftstrafen zwischen drei
und vier Jahren verurteilt wurden, sich mit Zusammentragen von Informationen
aus Massenmedien, von Spähern und aus dem Polizeifunk beschäftigt
haben und die Informationen weitergeleitet haben. "Nicht ganz unähnlich
der Tätigkeit, mit der sich die 'Göteborg-Posten' beschäftigte",
behauptete die Verteidigung und legte Ausdrucke von der Webseite der Göteborg-Posten
vor um zu belegen, dass die Infozentrale ungefähr genauso schnell
über das Geschehen berichtete wie die Zeitung. Ansonsten waren sie
sich über das meiste uneinig und vor allem über: - Die Anklage
behauptete, dass der Zweck der Betätigung war, Konfrontationen mit
der Polizei zu schaffen, zu schüren und zu unterstützen. Die
Verteidigung behauptete, dass der Zweck in der Vermeidung von Ärger
war. - Die Anklage sah es als nicht notwendig an, exakt angeben zu können,
was jeder einzelne in der Wohnung getan hat, da weil sie im Einverständnis
agiert haben, alle gewusst haben müssen, was in der Wohnung passierte
und eine gemeinsame Verantwortung trugen. Ein jeder der Verteidiger behauptete,
dass sein Klient nicht wusste, was die anderen taten oder wer die Nachrichten,
mit denen zum Aufruhr aufgerufen worden sollen, verschickt hat. - Die Anklage
behauptete, dass die Zentrale mit Rat und Tat die gewalttätigen Versammlungen
bei dem Hvitfeldska-Gymnasium und im Wasapark am 14 Juni angestiftet oder
zumindest gefordert hat. Die Verteidigung behauptete, dass die Anklage
keinen Ursachenzusammenhang zwischen der Betätigung der Infozentrale
und den Ausschreitungen habe aufzeigen können. Während die Anklage
von einer sophistizierenden Verbindungszentrale, von gründlicher Planung
und Organisation, von systematischer Kartographierung von Bewegungen und
Absperrungen der Polizei und von Heimlichtuerei um nicht entlarvt zu werden,
redete, so sprechen die Verteidiger von Gespensterseherei, von Fehlinterpretationen
und davon, dass gewisse Personen innerhalb der Linken nun mal übertrieben
konspirativ veranlagt sind und "eine unglückliche Neigung zur Heimlichtuerei
haben", von "übertrieben ambitionierte Papierverwalter" und von dem
"totalen Unvermögen für die Art und Weise der Jugendlichen zu
diskutieren, zugänglich zu sein". Welcher Darstellung der Wirklichkeit
das Oberlandesgericht folgen wird, wird sich am 8. Februar herausstellen,
da dann das Urteil gefällt wird. Die Anklage möchte keine Änderung
der Strafen, die von dem Geschworenengericht gefällt wurden, während
die Verteidigung Freispruch fordert.
INFOTELEFON GÖTEBORG: 3 BIS 4 JAHRE HAFT
Eltern von etwa 40 Protestierenden die an den Protesten in Göteborg
teilgenommen haben werden sich am Dienstag selbst stellen. Sie protestieren
damit gegen die Urteile im Prozess gegen das sogenannte "Infotelefon Göteborg".
Parents protest against riot sentences Parents to around 40 of the demonstrators
participating during the protests in Gothenburg will this tuesday turn
themselves in. They do it in a protest against the sentences in trial of
the so-called "information agency". The youths in the trial were sentenced
to between three and four years of imprisonment for dealing with collecting
information from mass media, own observers and the police radio along with
forwarding the information via cell phone calls and SMS. Last week the
case was brought up in the court of appeal. - The sentences are terribly
severe. We felt that we had to protest in some way, says Margreth Heirås,
parent and initiator of today's action. The protests concern partly the
length of the imposed sentences and partly that the young people were sentenced
as a group and that no case was brought up by itself. Like many other parents
Margreth Heirås was in the streets during the EU summit and followed
what happened. In connection with Hvidtfeldtska school being surrounded,
she rang around to folks encouraging them to walk up to the school to observe
what was happening. Margreth considers she made exactly the same thing
as the young people in the information agency. - Are they criminals then
I am too, she says and continues: - Information centrals have always existed
at demonstrations. In my days we had those too. Back then we didn't have
cell phones but we called each other via phone lists. The police reports
will be made at the police office at 16.00 Tuesday afternoon. The parents
participating in the action are part of the network "Parents 2001" that
was formed after the EU summit to support and help the young people that
were participating in the demonstrations and got in trouble. - We are around
forty people participating. There are both parents and a few young people,
says Heirås. (Petra Kanvall, GP, translated by Anton Andreasson)
Also of note: A petitition against the sentences have been signed by around
1600 people. [Auf indymedia gepostet; 23.1.2002.
Mehr Infos:
Aufruf für Gerechtigkeit nach Göteborg: http://de.indymedia.org/2001/12/12845.html,
Call for Justice: http://w1.874.telia.com/~u87406675/upprop/english
.html,
Homepage: http://sweden.indymedia.org/front.php3?article_id =14915&group=webcast]
INFOGRUPPE BERLIN
Die Berliner Gipfelsoli-Infogruppe ist hervorgegangen aus der Infogruppe
der Genuagefangenen. Wir sind unter genua.presse@uni.de zu erreichen. Wir
haben einen Email-Verteiler angelegt, über den aktuelle Nachrichten
zu Göteborg und Genua (und andere Aktivitäten wie z.B. die Mobilisierung
nach Brüssel oder München) verschickt werden. Die AutorInnen
der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind mit eckigen
Klammern versehen. Wenn ihr in den Verteiler aufgenommen (oder gelöscht)
werden wollt, schickt einfach eine Mail.