gipfelinfo 27.3.2002
öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]
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- SEHR AKTUELLES UPDATE ZU GÖTEBORG
- SOLIAUFRUF GÖTEBORG
- REPRESSION IN DÄNEMARK

Im folgenden ist ein Newsletter der schwedischen
Gruppe Motkraft ("Gegenkraft", www.motkraft.net)
dokumentiert. Motkraft besteht seit über drei Jahren
und versteht sich laut Eigenangaben als
Nachrichtendienst für die außerparlamentarische
Linke und möchte ein Forum für Organisationen,
Netzwerke und Aktionsgruppen sein, die selbst über
ihre Tätigkeiten dort berichten und schreiben
können.

Bitte beachtet den Solidaritätsaufruf am Schluss!!
 

MOTKRAFT SPECIAL ZU DEN GÖTEBORGURTEILEN

Inhalt:
1. Schweden spricht härteste Urteile aus
2. Dänemark will Strafmass bei Straßenprotesten
erhöhen
3. Urteil gegen Infozentrale widerspricht
Europakonvention
4. Untersuchung wegen Polizeischüsse erneut
eingestellt
5. Freigesprochener Däne erhält Entschädigung
6. Schwedische TV-Sendung hilft bei
Polizeiermittlung
7. Polizist wegen Meineid angezeigt
8. Solidarität mit den Verhafteten!
9. Übersicht über Urteile und Anklagen

Es scheint, dass wir im Tagesgeschehen niemals
Klarheit in das Agieren der Obrigkeit, besonders der
Polizei, während des EU-Gipfels in Göteborg erhalten
werden. Es hat sich als unmöglich erwiesen, die
Polizei für das Göteborggeschehen juristisch
anzuklagen. Ermittlungsverfahren zu dem Vorgehen
gegen die Versammlung in der Hvitfeldska Gymnasium
sind eingestellt und die Polizei hat bis heute nicht
das "Waffenversteck" vorzeigen können, das als Grund
für die Stürmung genommen wurde. Die Ermittlungen
wegen der Schüsse auf Reclaim the City auf dem
Vasaplatz sind eingestellt, obwohl es Bildbeweise
gibt, die zeigen, dass die Polizisten nicht in
Notwehr geschossen haben. Die einzigen
Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamten, die noch
laufen, sind wegen dem Vorgehen gegen das
Schillerska Gymnasium, bei dem Jugendliche nachts in
Unterwäsche auf dem Schulhof liegen mussten, und
wegen dem Verfälschen von Beweismaterial im Rahmen
der Schüsse gegen Demonstranten, da Sprechchöre in
das Bildmaterial eingefügt wurden, um den Eindruck
zu vermitteln, dass die Polizei unter starken Druck
stand und in Notwehr handelte. Es steht außerdem
fest, dass keine höheren Polizeichefs sich für das
katastrophale Agieren der Polizei verantworten
müssen. Stattdessen wartete das Göteborgkomitee, das
von Ingvar Carlsson geleitet wird, mit Vorschlägen
auf, wie die Befugnisse der Polizei ausgeweitet
werden sollen. [Anm.: Das Göteborgkomitee ist ein
staatlicher Untersuchungsausschuss, der sich mit den
Ursachen der Göteborggeschehen beschäftigt und die
Rolle der Polizei, der Medien, der Politik und der
Demonstranten hierbei untersucht.]

Aber während das Agieren der Obrigkeit im Schatten
verschwindet, wird ein anderes konspiratives Bild
der Göteborggeschehen durch die Polizei und den
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgemalt. Alle
Gerichtsurteile basieren darauf, dass die Krawalle
in Göteborg geplant und von AktivistInnen geleitet
sein sollen. Das skizzierte Bild besteht aus einer
"Krawallorganisation" mit Koordinationszentralen,
Späher und genaustens geplanten Überfällen. Zu den
Krawallen zählen die Gerichtshofe die Ereignisse
rund um das Hvitfeldska Gymnasium am 14. Juni, auf
der Avenyn und am Vasaplatz am 15. Juni samt der
Ereignisse auf dem Järntorget und an dem Schillerska
Gymnasium am 16. Juni. Alle, die in Göteborg waren,
wissen, wie wahnsinnig diese Behauptungen sind.
Auffallenden war vielmehr wie willkürlich das
Vorgehen der Polizei war und dass es alle
Organisationen, die in Göteborg waren, gleich hart
traf. Weder die Versammlung auf dem Järntorget noch
das Schillerska waren gewalttätige Zusammenkünfte,
ausgeschlossen dem Vorgehen der Polizei gegen eine
friedliche Demonstration und gegen eine Schule
voller schlafender Demonstranten. Die Infozentrale,
die vor Gericht als "Koordinationszentrale"
bezeichnet wurde, die die Ausschreitungen
koordiniert haben sollen, wurde bereits in der Nacht
zwischen dem 14. und 15. Juni gestürmt - lange bevor
die schlimmsten Krawalle stattfanden. Es ist auch
erwähnenswert, dass die Ausschreitungen vor der
Hvitfeldska, auf der Avenyn und dem Vasaplatz
spontan ausbrachen, nachdem die Polizei die
Demonstranten einkesselte um Massenverhaftungen
durchzuführen. Obwohl die "Koordinationszentrale"
ausgeschaltet war, obwohl das Mobiltelefonnetz nicht
funktionierte, obwohl eine hundertstellige Anzahl
Demonstranten verhaftet und Demonstrationsmaterial
in der Hvitfeldska beschlagnahmt wurde, gelten diese
Krawalle als geplant und gesteuert, also als besser
organisiert als die Polizei selbst, dessen
Koordinierung im großen Rahmen am 15. Juni
zusammenbrach. Die Urteile in Göteborg folgen einem
deutlichen Muster: Die Personen, die verurteilt
wurden, haben mit der Motivation gehandelt, es
handele sich um drei Tage gewalttätigen Aufruhr.
Mehrere wurden kollektiv verurteilt, ohne dass das
Gericht versucht hat, aufzuzeigen was genau ihre
Taten waren. Die Urteile folgten einer konstruierten
"Organisationsstruktur": Zuerst wurden
"Steinewerfer" verurteilt, dann "Anführer" auf der
Straße und später die "Koordinationszentrale". Die
Strafe für gewalttätigen Aufruhr wurde von einigen
Monaten auf 1-2 Jahren Haft erhöht.

Lange war es still um diese Rechtsbeugungen, was
viele dieser Urteile faktisch sind. Allein einige
Stimmen, wie die des Journalist Erik Wijk und des
Professor Dennis Tölborg, haben protestiert,
ausgenommen den an Göteborg beteiligten
Organisationen. Aber jetzt fängt der Wind an sich zu
drehen. Am 27. Februar widmete sich der Radiosender
"Sveriges Radio" einen ganzen Tag lang der
Diskussion über die Göteborgurteile, was von
Artikeln in mehreren großen Zeitungen gefolgt wurde.
In der Tageszeitung "Dagens Nyheter" warnte Hans-
Gunnar Axberger, Dozent für Straffrecht, davor, dass
"das Rechtssystem seine Erfolglosigkeit die
öffentlich Ordnung aurechtzuerhalten damit
ausgleicht, junge Menschen schonungslos zu
bestrafen." Ihm folgten viele andere, die sich der
Kritik anschlossen.

Zur Zeit warten wir darauf, dass mehrere Fälle vor
dem Höchsten Gerichtshof verhandelt werden sollen.
Der erste Fall bezieht sich auf das Strafmass für
einen jungen Mann wegen Steinwurf. Wahrscheinlich
wird auch der Fall um die sogenannte
"Koordinationszentrale" vor dem Obersten Gerichtshof
landen. Gleichzeitig sitzen mehrere Person im Knast
oder warten darauf, ihre Haftstrafe anzutreten.
[Anm.: Angesichts der überfüllten Knäste, ist es in
Schweden nicht unüblich, dass es "Wartezeiten" in
Freiheit auf Haftstrafen gibt.]

Wir haben in dieser Ausgabe unseres Newsletters
einiges an Informationen um die Göteborgurteile
zusammengestellt. Jetzt bedarf es, dass alle
Personen und Organisationen ihre Kritik an den
Übergriffen in Göteborg öffentlich machen. Lasst sie
nicht eine repressiveren Staatsapparat schaffen,
sondern nutzt die Gelegenheit, um die Positionen der
Volksbewegung (und damit die der Demokratie)
voranzubringen! Des weiteren, vergesst nicht die
Schlagworte, die 1992 in Los Angeles aufkamen: Ohne
Gerechtigkeit, kein Frieden!

[die Redaktion von Motkraft]
 

1. SCHWEDEN SPRICHT HÄRTESTE URTEILE AUS

Schweden hat die härtesten Urteile gegen die
Proteste der globalisierungskritischen Bewegung
ausgesprochen. Das zeigt eine Studie, die der
Radiosender "Sveriges Radio" am 27. Februar
präsentierte. "Sveriges Radio" hat die Krawalle in
Seattle 1999, Nizza und Prag 2000 samt Göteborg und
Genua 2001 verglichen. In Göteborg haben 31 Personen
Gefängnisstrafe wegen gewalttätigen Aufruhr
erhalten, wobei die durchschnittliche Haftlänge bei
fünfzehn Monaten liegt. In Prag wurde niemand wegen
Aktionen gegen das Weltbanktreffen zu Gefängnis
verurteilt, aber 16 Personen erhielten
Bewährungsstrafen. Während des EU-Gipfeltreffens in
Nizza wurden zwei Personen zu Gefängnis verurteilt,
zu je einem Monat. In Genua sind noch keine Urteile
gefallen.

Ý2. DÄNEMARK WILL STRAFMASS BEI STRASSENPROTESTEN
ERHÖHEN

Dänemarks Justizministerin Lene Espersen hat einen
Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, die Strafe
für gewalttätigen Aufruhr und Straßenunruhen zu
verdreifachen bevor das Land den EU-Vorsitz im
Sommer übernehmen wird. Die Höchststrafe liegt heute
bei 6 Monaten, aber die Justizministerin möchte dem
schwedischen Beispiel folgen und es auf 1,5 Jahre
erhöhen. Der Gesetzesentwurf wurde von Kopenhagens
Polizeichefin Hanne Bech Hansen begrüßt. Sie hofft,
dass die Polizei diejenigen, die mit Steinen in der
Hand stehen, und diejenigen, die dahinter stehen,
ergreifen und anklagen kann.

Mehrere Organisationen kritisieren den Entwurf und
warnen davor, dass der gesetzlich garantierte
Protest kriminalisiert werden soll. Kopenhagen wird
im Dezember 2002 Gastgeber des EU-Gipfeltreffens
sein. Es haben sich bereits Bündnisse gebildet, die
die Gegenaktivitäten organisieren werden.
Die Aufteilung ähnelt der, wie sie in Göteborg 2001
war. Die Initiative für ein anderes Europa
(vergleichbar mit der Göteborgsaktion) plant eine
Großdemonstration, "Stop Unionen" versammelt die EU-
Kritischen und das Forum "Stop Volden" (Stoppt die
Gewalt) organisiert ein großes Treffen ähnlich dem
"Fritt Forum" (Freies Forum) in Göteborg.

3. URTEIL GEGEN INFOZENTRALE WIDERSPRICHT
EUROPAKONVENTION

Suzanne Wennberg, Professorin für Strafrecht an der
Universität Stockholm, behauptete in der Zeitung des
Gewerkschaftsdachverbandes LO am 1. März, dass die
Urteile gegen die sogenannte Koordinationszentrale
der Europakonvention widerspricht.
Am 8. Februar wurden acht Jugendliche in Göteborg
vor dem Landesgericht wegen Beihilfe zu den
gewalttätigen Ausschreitungen während des EU-Gipfels
verurteilt. In der sogenannten Koordinationszentrale
fand das Gericht, dass die Jugendlichen
gemeinschaftlich in einer Organisation tätig waren,
die Angriffe auf die Polizei zum Zweck hatte. Sie
wurden zu zwei Jahre Haft verurteilt, wobei die
Haftlänge im Einzelfall variiert. Suzanne Wennberg,
Professorin in Strafrecht, richtet scharfe Kritik an
das Kollektivurteil und verlangt eine Berufung vor
dem Obersten Gerichtshof.

"Mit dem Fazit in den Händen wissen wir, dass es zu
einer Anzahl gewaltsamer Auseinandersetzungen in
Göteborg am 14. Juni 2001 in Zusammenhang mit dem
EU-Gipfeltreffen kam. Aber die Frage ist, ob man es
in den Tagen vorher hätte wissen können. Ist es so
sicher, dass alle verurteilten Personen von Anfang
an ein stilles Einverständnis eingingen,
gewalttätigen Aufruhr anzustiften, ein Vergehen,
dass voraussetzt, dass eine Menschenmenge
gemeinschaftlich gegen Personen oder Eigentum
vorgeht?
Wird die Frage verneint, so fällt die Vorwurf der
Beihilfe. Das Handeln des Einzelnen muss als eigene
Erscheinung beurteilt werden, welches
notwendigerweise voraussetzt, dass man unterscheiden
können muss, was der Einzelne getan hat", schreibt
Wennberg.

Wennberg konstatiert, dass es ein beunruhigende
Tendenz innerhalb des Rechtssystems gibt, Personen
gruppenweise zu verurteilen ohne klarzuhaben, was
die Mitschuld des Einzelnen beim Vergehen gewesen
sein soll, wie es die Europakonvention verlangt
(art. 6 p. 3a). Sie sieht einen Vergleich zu dem
Denken der Kirche vor der Einführung der modernen
juristischen Sichtweise. Im heutigen Rechtswesen
muss die Grundlage der Strafe das Vergehen sein,
nicht der Wille zu Verbrechen. Jetzt scheint es so,
dass eine Rückkehr zu der früheren religiösen
Sichtweise im kommen ist. "Ausschlaggebend ist
nicht, was das Individuum gemacht hat, sondern mit
welchen Plänen oder stillschweigenden
Einverständnissen er sich liiert hat." Das führe zu
einer Kollektivierung der Strafverantwortlichkeit,
da die Urteile von Gleichmacherei ausgehen.

"Stattdessen wird hervorgehoben, sie hätten
Straftaten "gemeinschaftlich und im Einvernehmen"
oder "zusammen und im Einverständnis" begangen. Wenn
irgendwelche dieser Phrasen benutzt werden, sollte
die Aufmerksamkeit gesteigert werden. Jeder Einzelne
der Verdächtigten soll zusammen mit den übrigen
gehandelt haben, entweder nach einem im Voraus
aufgestellten Plan oder im Einzelfall in voller
Übereinstimmung mit dem, was andere getan hätten.
Sobald dieser Ausgangspunkt festgestellt wird, wird
das, was jeder einzelne dann getan hat, nahezu
nebensächlich. Es wird auf die Gesamtheit
fokussiert, so dass die einzelnen Täter unsichtbar
werden. Die Taten werden oft in der Passivform
formuliert: es wurden Nachrichten herausgegeben, ein
Feuer wurde veranlasst und so weiter", schreibt
Wennberg.

4. UNTERSUCHUNG WEGEN POLIZEISCHÜSSE ERNEUT
EINGESTELLT

Es wird keine Anklagen gegen die Polizisten, die am
Vasaplatz in Göteborg während des EU-Gipfeltreffens
diesen Sommer geschossen haben, geben. Der
Staatsanwalt Björn Ericson hat beschlossen, zum
zweiten Mal die Ermittlungen wegen der
Polizeischüsse einzustellen. Er begründet dies
damit, dass er nicht das Filmmaterial des belgischen
Kameramannes Daniel Demoustiers erhalten konnte,
dass im schwedischen Fernsehen gezeigt wurde. Der
Film zeigt, dass die Polizisten sich nicht in einer
bedrängten Situation befanden, sonder dass de Straße
recht menschenleer war und die Polizisten den Rücken
frei hatten als sie auf Hannes Westberg schossen.

Der Kontakt des Staatsanwaltes mit Demoustiers
erfolgte durch Juristen des TV-Sender ITN
(Independent Television News, Großbritanniens zweit
größter Sender nach BBC). Der Staatsanwalt erhielt
zuerst Kassetten mit den zusammengeschnittenen
Bericht. Ericson bat um die ungeschnittenen
Originalbilder, aber behauptet, dass die Juristen
des Senders sich weigerten diese ihm zu schicken.
Demoustiers behauptet seinerseits, dass das Band bei
ihm lag und auf den Staatsanwalt wartete, doch
dieser es nicht schaffte, bei ihm anzurufen um die
Bänder zu erhalten.

Gegenüber der Zeitung "Göteborgsposten" erklärt der
Bereitschaftspolizist Stefan Johannesson aus
Göteborg, der am Vasaplatz schoss, dass er
erleichtert über die Einstellung der Ermittlungen
sei. Aber er gibt im Nachhinein zu, dass er zu einer
fehlerhafte Einschätzung kam als er das Feuer
eröffnete. "Als wir die ersten Schüsse abgaben,
waren wir vollkommen einsam. Danach war eine
Zwischenperiode, in der wir von der Bedrohung, die
wir als größte empfanden, eingenommen waren. Man
kann im Nachhinein sehen, dass wir nicht zu der
richtigen Einschätzung kamen, da der Polizist, der
den Stein am Kopf abbekam, diesen aus einer anderen
Richtung bekam," sagt Stefan Johannessson der
Zeitung.

5. FREIGESPROCHENER DÄNE ERHÄLT ENTSCHÄDIGUNG

Einem dänischen Aktivisten wurde 40 000 schwedische
Kronen (ca. 4 380 EUR) als Entschädigung
zugesprochen, da er während des EU-Gipfeltreffen
inhaftiert wurde. Der Aktivist war unter einer
Gruppe von fünf Personen, die in einer Wohnung in
Göteborg festgenommen wurden. Die Polizei hatte die
Fünf aus Dänemark überwacht und in der Wohnung fand
die Polizei eine Liste mit Zivilautos, mit denen die
Polizei die fünf Dänen verfolgt hatten. Die Polizei
ging schnell vor und erklärte, dass die Dänen
geplant hätten, ein Kraftwerk zu sprengen und der
schweren Sabotage verdächtig werden. In der
Gerichtsverhandlung wurden die Anklagepunkte auf
Vorbereitung zur schwere Körperverletzung und
schwere Sachbeschädigung gesenkt, aber die fünf
wurden bereits in erster Instanz freigesprochen.

Der Aktivist erhielt eine besonders hohe
Entschädigung, da er besonders hart von der
Medienhetze betroffen war und er mit voller
Namensnennung in der dänischen Presse vorgeführt
wurde. In Schweden schrieb unter anderem die
Tageszeitung "Aftonbladet" in einem Artikel, dass
die Dänen mit einem Granatwerfer aufgegriffen
wurden, was eine reine Lüge ist.

6. SCHWEDISCHE TV-SENDUNG HILFT BEI
POLIZEIERMITTLUNG

Die Sendung "Efterlyst" (Nachgeforscht) des
Fernsehsenders TV3, erhielt am 14. Februar die
Telefonzentrale durch Anrufe, die Polizeibeamte
wegen Gewalttätigkeiten melden wollten, blockiert.
"Efterlyst" kündigte auf der eigenen Homepage an, in
der Sendung aufzuzeigen, wie die Göteborgkrawalle
organisiert wurden. Aus diesem Beitrag wurde nichts.
Stattdessen wurden die Gesichter von vier Personen
gezeigt und die Zuschauer dazu aufgefordert,
anzurufen und Hinweise zu der Identität der Personen
abzugeben. Und freilich riefen Menschen an, doch es
waren nicht die Hinweise, die die Programmleitung
sich erhofft hatten. Der Programmleiter Hasso Aro
trat während der Liveübertragung vor die Kamera und
erklärt, dass dies das erste Mal sei, dass die
Sendung der Sabotage ausgesetzt sei. Die Polizei
verlautbarte, dass nur für zwei der vier Personen
einigermaßen sichere Hinweise eingingen.

Es ist geschmacklos, wenn nach Göteborg verurteilte
Personen in den Zeitungen vorgeführt werden. Noch
absurder ist es, wenn Personen, die nur verdächtig
werden an Ausschreitungen teilgenommen zu haben und
noch nicht verurteilt oder verhört wurden, im
Fernsehen und auf Webseiten mit Fotos vorgeführt
werden.

Es ist schwer zu meinen, der Zweck des Berichtes von
"Efterlyst" sei es wirklich, Personen wegen der
Krawalle zu ergreifen. Stattdessen beinhaltete der
Bericht, die Schüsse der Polizei auf Demonstranten
zu legitimieren und zu zeigen, wie sehr die Polizei
versucht hat, Steinewerfer festzustellen und zu
verhaften.

[Anm.: Die Sendung "Efterlyst" lässt sich mit
"Aktenzeichen XY-ungelöst" vergleichen und wird in
Zusammenarbeit mit der schwedischen Kripo
produziert. In der Sendung werden ungelöste
Verbrechen wie Morde, schwere Raubüberfälle und
Sexualdelikte behandelt und die Zuschauer können
telefonisch Hinweise zu den Verbrechen abgeben. Das
in dem Beitrag zu den Göteborgkrawallen vorgestellte
Filmmaterial wurde von der Polizei überlassen. Zwei
der in der Sendung gezeigten Personen konnten durch
Hinweise an die Polizei ermittelt werden. Ihnen
droht jetzt der Prozess.
Auf der Webseite der Sender wurden die Bilder der
beiden unkenntlich gemacht. Die Polizei ging davon
aus, dass alle vier gesuchten Personen in Schweden
ansässig sind.]

7. POLIZIST WEGEN MEINEID ANGEZEIGT

Ein zwanzigjähriger Stockholmer, der zu 2,5 Jahren
Haft wegen Anstiftung zu gewalttätigen Aufruhr
verurteilt wurde, zeigte am 23. Februar einen
Polizeibeamten wegen Meineid an. Der Polizist hat
vor Gericht bezeugt, dass der Zwanzigjährige auf
einem öffentlichen Treffen im Vorfeld des EU-Gipfels
Streit angedroht habe, falls irgendwelche
"verfluchten Bullen" behindern würden, und dass
dieser "aggressiv im Tonfall war". Jetzt deckt ein
ungeschnittener Film von besagten Treffen auf, dass
nichts davon wahr ist.

Der Anwalt Stig Centerwall, der Vertreter des
Zwanzigjährigen, kommentiert: "Das Landesgericht hat
sehr viel Gewicht auf die Aussage des Polizisten
gelegt und dabei besonders darauf, dass es Streit
geben sollte, falls irgendwelche "verfluchten
Bullen" eingreifen. Aus dieser Falschaussage zieht
das Gericht den Schluss, dass mein Klient im Voraus
Gewalttaten geplant habe. Das zeigt zusammenfassend,
dass man in den Göteborgsprozessen bereit ist,
welche Methode auch immer anzuwenden, nur weil man
wenig gemocht hat, was im Zusammenhang mit den EU-
Gipfeltreffen passiert ist."

Erik Wijk, Verfasser (u.a. des Buches
"Göteborgkravallerna") meint: "Ohne Schuld in der
Frage des Meineids vorwegzugreifen, ist es
offensichtlich, dass der Polizeizeuge mit
Falschaussagen den Zwanzigjährigen dämonisiert hat.
Die Aussagen führten zu ernsthafte Konsequenzen, da
das Gericht diese als Grund für eine sehr strenge
Strafe nehmen."

Der Zwanzigjährige schreibt selbst in der Anzeige:
"Es sollte beachtet werden, dass [der Polizeizeuge]
unmöglich das verstanden haben kann, was er
ausgesagt hat, weswegen er eine böswillige Absicht
gehabt haben muss, als er seine Aussage vor Gericht
gemacht hat." Der Zwanzigjährige ist zu zwei-einhalb
Jahren Haft wegen Anstiftung zum gewalttätigen
Aufruhr im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in
Göteborg verurteilt worden. Er hat weder Steine
geworfen noch irgendeine andere Gewalthandlung
begangen. Er ist allein deswegen verurteilt worden,
dass er am Donnerstag, den 14. Juni, auf eine
Anhäufung von Menschen eingewirkt hat, sie sollten
sich zum Hvitfeldska Gymnasium begeben, wo die
Polizei ca. 500 Demonstranten und
Konferenzteilnehmer eingekesselt hatte.

In dem Urteil wurde dem Zwanzigjährigem Kontakte zu
der sogenannten "Koordinationszentrale" unterstellt,
bei der acht Jugendliche zu Haftstrafen um die zwei
Jahre wegen Beihilfe zum gewalttätigen Aufruhr
verurteilt wurden. Im Prozess gegen diese Zentrale
neulich fiel dennoch der Wirkungszusammenhang
zwischen der Zentrale und dem Zwanzigjährigem durch,
aber dies geschah lange nachdem das Urteil gegen den
Zwanzigjährigen rechtskräftig wurde.

Ein zentraler Beweis gegen den Zwanzigjährigen bei
Landesgericht ist die Zeugenaussage, die jetzt
Gegenstand der Anzeige ist. Sie ist zentral im
Urteil, da es als bewiesen gilt, dass der
Zwanzigjährige seit langer Zeit verbrecherische
Taten geplant habe. Das ist von großer Bedeutung für
das außergewöhnlich hohe Strafmass - 2,5 Jahre Haft.
Der Polizeizeuge war in Zivilkleidung und
beschattete den Zwanzigjährigen während eines
Kneipenabends in einem Lokal der
Studierendenvertretung am 14. Mai 2001.
Es war eine öffentliche Veranstaltung bei dem ein
Anzahl Person die Pläne für das EU-Gipfeltreffen
vorstellten, unter anderem der Zwanzigjährige als
Repräsentant für "Globalisering Underifrån"
(Globalisierung von unten).
Nachdem das Urteil gegen den Zwanzigjährigen
rechtskräftig wurde, hat das Landesgericht das Recht
genutzt und die Tonbandmitschnitte der
Hauptverhandlung vernichtet. Aber die
Urteilsbegründung des Landesgerichts beinhaltet
Auszüge aus der Zeugenaussage: "NN stellte sich als
Repräsentant für Ya Basta vor und er informierte,
dass mehrere hundert Mitglieder dieser Organisation
aus anderen Ländern in Europa nach Göteborg kommen
würden um einen Durchbruch in das EU-Gipfeltreffen
durchzuführen. NN war aggressiv im Tonfall und rief
zum Kampf auf. Er sprach aus, dass es Streit geben
würde, falls irgendwelche "verfluchten Bullen" sie
daran hindern würden." Der Ausdruck "verfluchte
Bullen" ist also ein direktes Zitat aus der Aussage
des Polizeibeamten.

Dass das Landesgericht die Aussage des
Polizeibeamten nicht missverstanden hat, geht aus
der eigenen Pressemitteilung des Polizisten vom 15.
Mai hervor: "[Der Zwanzigjährige] gibt an, dass er
in der Organisation Ya Basta tätig sei. Deren Ziel
ist es während des EU-Gipfels, dass sie in das
Messegebäude eindringen WERDEN um die Teilnehmer des
Gipfel zu treffen. Falls "irgendwelche verfluchten
Bullen" versuchen werden, sie daran zu hindern, so
gibt es Streit. Ya Basta denkt nicht daran, sich
hindern zu lassen." Der Polizeibeamte notiert zum
Schluss: "Hinzufügen lässt sich, dass die
Ausführungen [des Zwanzigjährigen] ziemlich
aggressiv waren."

Der Polizist bekräftigt sein Aussage selbst in einem
Polizeiverhör am 9. August 2001: "X regte sich auf,
dass [der Zwanzigjährige] so aggressiv war. [Der
Zwanzigjährige] sagte, dass "wenn irgendwelche
verfluchten Bullen uns hindern", so gibt es Streit,
oder möglicherweise sagte [der Zwanzigjährige]
Krieg." [Anm.: Die schwedischen Wörter für Krieg und
Streit liegen phonetisch nahe beieinander]

Nach den Prozess tauchte jetzt ein Video auf, das
die Ausführungen des Zwanzigjährigen in der
Gesamtheit ohne Abbruch wiedergibt. In der selben
unabgebrochenen Sequenz ist ebenfalls der
Polizeibeamte deutlich zu sehen, als er sich
aufrichtete. Eine Verwechslung von verschiedenen
Treffen kann also nicht möglich sein. Aus dem Film
geht folgendes deutlich hervor: - dass der
Zwanzigjährige Globalisering Underifrån
repräsentiert (also nicht Ya Basta), - dass er Pläne
von einem gewaltfreien Durchbruchversuch in das EU-
Gipfeltreffen präsentiert, die vollkommen öffentlich
waren und in verschiedenen großen Medien präsentiert
wurden, - dass er NICHT Gewalt befürwortet oder zum
Streit oder Krieg aufruft, - dass er gegenteilig
betont, dass die Vorgehensweise "sicher", "ruhig"
und "spaßig" sein soll, - dass er vor allem NICHT
den Ausdruck "verfluchte Bullen" verwendet, - dass
er mit seiner lockeren und lächelnden Art und seiner
ruhigen Stimmlage NICHT in irgendeiner Bemerkung als
aggressiv bezeichnet werden kann.

Im Fall des Zwanzigjährigen kommen noch folgende
ernsthafte Komplikationen hinzu: - dass die Tat, für
die der Zwanzigjährige verurteilt wurde -Menschen
dazu aufgefordert, sich zur Hvitfeldska zu begeben-
von hunderten anderen Mitbürgern auf Göteborgs
Straßen am 14. Juni 2001 begangen wurde. So haben
z.B. sich neulich über 60 Personen selbst bei der
Polizei angezeigt, da sie genau dieses Vergehen
begangen haben. Diese Selbstanzeigeaktion hat zum
Zweck, das Selbstverständliche in dieser Handlung,
für die viele Menschen zu langen Haftstrafen
verurteilt wurden, zu beleuchten. - dass die
Verteidigung (der Anwalt Centerwall) der Zugang zu
den Filmen der Polizei mit Relevanz für dieses
Verfahren verweigert wurde. Dieses Verfahren wird in
Kürze am Europäischen Gerichtshof vorgelegt. - dass,
wie gesagt, der konkrete Zusammenhang zwischen der
sogenannten Koordinationszentrale und dem
Zwanzigjährigen in der Verhandlung gegen die
Zentrale durchfiel. Dies geschah aber nachdem das
Urteil gegen den Zwanzigjährigen rechtskräftig wurde
und würde allein Grund genug für eine Neuverhandlung
sein.

[Anm.: Es sieht so aus, dass die Selbstanzeigen der
couragierten BürgerInnen zu keinen
Ermittlungsverfahren führen werden. Die ersten
Rückmeldungen der Behörden mit dem Inhalt, ein
Ermittlungsverfahren werde nicht eröffnet, liegen
bereits vor. Das ist für "TäterInnen" zwar
beglückwünschenswert, macht aber die bestehenden
Urteile noch absurder.]

8. SOLIDARITÄT MIT DEN VERHAFTETEN!

Die Anklagen wegen der Göteborgkrawalle beginnen
jetzt abzuflauen. Aber trotzdem werden Personen
verhaftet und wegen Aufruhr angeklagt nachdem sie
auf Bildern identifiziert wurden. Als Beweismaterial
reichen Bilder bei weitem nicht aus, aber leider
haben mehrere Personen gestanden, dass sie auf den
Bilder sind. Oft hat die Polizei "unschuldige"
Bilder gezeigt, auf denen Aktivisten unmaskiert
waren und nichts illegales gemacht haben. Als die
Personen bestätigt haben, dass sie auf den Bildern
sind, wurden weiter Fotos hervorgeholt und nach und
nach in Richtung einer Anklage gearbeitet.

Mehrere von denen, die in Göteborg verurteilt
wurden, werden in nächster Zeit eingeknastet werden,
oder sitzen bereits drinnen. Sie brauchen
Unterstützung. Die Soligruppen arbeiten an der
Prozessbegleitung der Verhafteten. Die Gruppe
"Anarkistiska Svarta Hammaren / Anarchist Black
Cross" (ASH/ABC) übernimmt dann und sieht zu, dass
die Inhaftierten im Knast unterstütz werden. Helft
mit und spendet Geld, Bücher oder schreibt Briefe!

Soligruppe in Göteborg:
Solidaritetsgruppen
c/o Syndikalistiskt Forum
Box 7267
402 35 Göteborg
Tel +46 - 733-16 42 96
solidaritetsgruppen@hotmail.com

Soligruppe in Stockholm:
Tel +46 - 737-53 20 60
solidaritetsgruppen_sthlm@hotmail.com

ASH/ABC:
ashstockholm@hotmail.com

Spendenkonto:
Kontinh.: Nisse Lätts Minnesfond
Postgiro oder Bank Service: 00506 Stockholm,
Schweden
Konto: Swiftcode: pgsisess 276 02 - 2
Gebt bitte als Vermerk an, ob das Geld an die
Soligruppe oder das ABC gehen soll
("Solidaritetsgruppen" oder "ASH/ABC").

[Anm.: Der von dem Journalist Erik Wijk verfasste
"Aufruf für Gerechtigkeit" kann auch von Menschen
außerhalb Schwedens unterzeichnet und unterstützt
werden, also tut dies auch als Organisation, Gruppe
oder Einzelperson, wenn ihr euch mit den Forderungen
identifizieren könnt. Ihr findet den Aufruf u.a. in
deutscher Übersetzung hier:
http://www.manifest.se/upprop/ ]

9. ÜBERSICHT ÜBER URTEILE UND ANKLAGEN

Stand 13.02.2002

Anzahl Anklagen: 33
Anzahl Angeklagte: 58
Anzahl abgeschlossener Prozesse: 13 (9 gefällte
Urteile, 4 Freisprüche) 44 Urteile: 30 Haftstrafen,
1 geschlossener Jugendarrest, 3 gemeinnützige
Arbeit, 1 Tagessätze, 1 soziale Betreuung, 8
Freispruch Gefängnisstrafe ergibt im Durchschnitt 1
Jahr 3 Monate. Für Personen über 18 Jahre liegt die
kürzeste Strafe bei 5 Monaten. Höchste Strafe ist 2
Jahre 6 Monate. Ca. 80% der Angeklagten sind Männer.
Herkunft der Angeklagten: 18 Göteborg, 22 restliches
Schweden, 13 Dänemark, 3 Deutschland, 1 Italien, 1
England

ZU BEACHTEN! Dies ist eine Zusammenstellung aller
Anklagen, die erhoben wurden und im Zusammenhang mit
dem EU-Gipfeltreffen stehen. Nicht alle oben
genannten sind explizit AktivistInnen oder Linke.

[die Solidaritätsgruppe in Göteborg]
 

DÄNISCHE POLIZEI RÜSTET AUF

Die Kopenhagener Polizei und der dänische
polizeiliche Nachrichtendienst "Politiets
Efterretningstjeneste" (PET) sind wegen
gewalttätiger Proteste in Zusammenhang mit dem EU-
Gipfeltreffen, das in Kopenhagen zum Ende des
dänischen EU-Vorsitzes im Dezember 2002 stattfinden
wird, beunruhigt. "Wir werden versuchen, verletzte
Polizisten wie auch Demonstranten zu vermeiden,
indem wir so viele Gefangene wie möglich machen
werden", verspricht die Kopenhagener Polizeichefin
Hanne Bech Hansen.

Während des letzten Halbjahres hat der polizeiliche
Nachrichtendienst große Ressourcen für die
Kartographierung der dänischen Protestbewegung
aufgewendet, besonders im Gebiet Kopenhagen. Des
weiteren erklärte der Kriminalkommissar Flemming
Gøtche vom PET, dass dänische Aktivisten bereits bei
vorherigen globalisierungskritischen Protesten
aufgefallen und erfasst wurden (s. Presseerklärung
unten).

Aus einem Artikel der Kopenhagener Zeitung
"Berlinkse Tidende" geht hervor, dass die
Polizeileitung in Kopenhagen 4000 Polizeibeamten
während des EU-Gipfels bereitstellen will. Diese
sollen mit neueingekaufter Ausrüstung ausgestatten
werden, wie z.B. Helmen, Fahrzeuge und Funkgeräten.
1400 Beamte sollen eine mobile Einsatzstärke gegen
Ausschreitungen bilden, 1400 dienen im Objektschutz,
400 sollen zur freien Verfügung bereit stehen und
800 Kriminalbeamte sollen für Ermittlungen
abgestellt werden. 12 Staatsanwälte sind bereits
ausersehen, bei sechs verschiedenen Gerichten für
juristische Prozesse bereitzustehen. Des weiteren
hofft das dänische Rechtssystem auf härtere Strafen
im Zusammenhang mit Ausschreitungen beim
Gipfeltreffen.

GLOBALE RØDER: DÄNISCHE POLIZEI VERSUCHT PROTESTE ZU
KRIMINALISIEREN

Pressemitteilung von "Globale Røder":
Auf einer Pressekonferenz am 11. März trat die
dänische Geheimpolizei PET mit einer Reihe
unbegründeten Anschuldigungen gegen Demonstranten
hervor.
"Wir sehen es als undokumentierte Behauptungen an,
die zum Zweck haben, Menschen, die von ihrem
demokratischen Recht zu demonstrieren gebrauch
machen, zu kriminalisieren. Wir sehen es als ein
Versuch auf das politische Klima einzuwirken, so
dass die Handlungsmöglichkeiten der Polizei in
Verbindung mit dem EU-Gipfeltreffen ausgeweitet
werden können. Die Anschuldigung, Demonstranten
würden von Theaterblut gebrauch machen, ist
verrückt! Es gibt eine Vielzahl von Beispielen für
brutale Polizeiübergriffe sowohl in Genua wie auch
in Göteborg, aber keinen einziges Beispiel für
Theaterblut", sagt Thomas Bugge von Globale Rødder.
Es ist rausgekommen, dass die schwedische Polizei
während des Ecofin-Treffens [EU-
Finanzministertreffen] in Malmö im April 2001 die
Demonstranten durch Polizeiübergriffe spalten und
einschüchtern wollte. Das hat die schwedische
Polizei erklärt, und in diesem Licht sorgen die
Aussprüche um das "Theaterblut" für böse
Vorahnungen.
Der Kampf gegen demokratische und friedliche
Demonstranten ist gewaltsam hochgestuft worden.
Verschiedene Nachrichtenagenturen in Genua sind zum
wiederholten Male Hausdurchsuchungen ausgesetzt
worden und vergangenen Monat mussten 1000
Demonstranten aus kirchlichen, ökologischen und
linken Organisationen erleben, wie sie präventiv in
Verbindung mit dem Natotreffen in München
aufgehalten wurden.
"Wenn man die Aussprüche der Polizei aus einer
europäischen Perspektive aus betrachtet, kommt das
Bild auf, dass das demokratische Recht auf Freiheit
zu protestieren und zu demonstrieren, dabei ist,
abgeschafft zu werden. Und das ist, was wirklich
erschreckend ist", schließt Thomas Bugge.

[Globale Rødder Kopenhagen]

DÄNISCHE POLIZEI LEGT UNGESETZLICH POLITISCHE
DATENBANKEN AN

In der Pressekonferenz der dänische Geheimpolizei
PET am 11. März war richtungsweisend für die neue
Strategie des sonst so geheimen Nachrichtendienstes.
Die Offenheit hat zwei Seiten. Auf der einen Seite
ist es gut, einen größeren Einblick zu erhalten,
womit sich die 370 Angestellten beschäftigen. Aber
auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass der
Nachrichtendienst politisch genutzt wird, um falsche
Feindbilder vorzugeben. Der PET kann sich hinter dem
Verweis auf die Sicherheit des Staates verstecken,
wenn Fragezeichen hinter ihre Behauptungen gesetzt
werden. Vor diesem Hintergrund hat die Organisation
"Globale Rødder" Line Barfod von der Linkspartei
"Enhedslista" gebeten, eine Aussage der
Justizministerin zu der politische Datenbank, die
auf der Pressekonferenz des PET hervorkam, zu
fordern.

Der Zeitung "Berlingske Tidende" gegenüber
behauptete der Kriminalkommissar Flemming Gøtche vom
PET, "dass Dänen bei den Unruhen z.B. in Prag,
Nizza, Göteborg und Genua mit erfassten 60
beteiligten Dänen in Nizza, 170 in Göteborg und
mindestens 30 in Genua, beteiligt waren."

Es ist für uns beunruhigend, dass man entschieden
hat, eine solche umfangreiche Erfassung von Menschen
durchzuführen, die ihr Recht zu demonstrieren
nutzen.

Wir wollen deshalb, dass die Justizministerin auf
folgende Fragen antwortet: 1. Auf welcher
rechtlichen Grundlage diese Menschen erfasst wurden.
2. Ob der PET einen konkreten Verdacht gegen die
dänischen Beteiligten, die 170 in Göteborg, 60 in
Nizza und 30 in Genua, hat. 3. Und wenn ja, ob der
PET fortwährend finden, dass das ein begründeter
Anlass dafür ist, diese Anzahl an Menschen erfasst
zu haben. 4. Wenn nein, ob die betroffenen Personen
aus den Datenbanken des Nachrichtendienstes gelöscht
wurden. 5. Welche Möglichkeiten für einen
Demonstranten bestehen, bestätigt zu kriegen, das
sein Name aus dem Register gestrichen wurde.

Wir halten es für zweifelhaft, dass der PET z.B. in
Göteborg 170 Personen registrieren konnte, ohne dass
von politisch motivierter Erfassung geredet werden
kann. Die Arbeit, die politische Erfassung, wie sie
der PET seit 1989 betrieben hat, unmöglich zu
machen, kann als unzureichend angesehen werden, wenn
der PET letztes Jahr noch entschieden hat, legale
politische Aktivisten zu erfassen.

[Globale Rødder]

Globale Rødder ist eine neugegründete Organisation,
die sich damit beschäftigt, die Aktivitäten im
Anschluss zu dem EU-Gipfeltreffen im Dezember zu
organisieren. Globale Rødder arbeitet mit
gewaltfreien Aktionsformen und zivilen Ungehorsam.
Wir möchten Menschen aus ganz Europa zum aktiven
Widerstand gegen die kapitalistische Globalisierung
versammeln. [Selbstdarstellung]
 

INFOGRUPPE BERLIN
Die Berliner Gipfelsoli-Infogruppe ist
hervorgegangen aus der Infogruppe der
Genuagefangenen. Wir sind unter gipfelsoli@gmx.de zu
erreichen. Wir haben einen Email-Verteiler angelegt,
über den aktuelle Nachrichten zu Göteborg und Genua
(und andere Aktivitäten wie z.B. die Mobilisierung
nach Brüssel, München oder Barcelona) verschickt
werden.
Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns
verfasst sind, sind mit eckigen Klammern versehen.
Wenn ihr in den Verteiler aufgenommen (oder
gelöscht) werden wollt, schickt einfach eine Mail.