AKTUELLER BERICHT DER INFOGRUPPE ÜBER DIE EREIGNISSE
DER LETZTEN TAGE IM NO
BORDER GRENZCAMP IN STRASBOURG (STAND DONNERSTAG, 25. JULI,
NACHMITTAGS)
Heute, Donnerstag, hat die Präfektur der Stadt verkündet,
dass alle Aktionen
die vom Camp ausgehen verboten wären. Im Folgenden eine
kurze Skizze der
letzten Tage, wie es zur derzeitigen Situation kam. Es sind
natürlich nicht alle
Aktionen des Camps hier dokumentiert.
Seit letzten Freitag hat das internationale No Border Camp in
Strasbourg
begonnen. Das Camp wendet sich gegen eine rassistische Flüchtlingspolitik.
Etwa
2.000 Menschen zelten am Parc du Rhin, um Perspektiven dagegen
zu entwickeln.
Das Camp versteht sich dabei als selbstverwaltetes soziales
Experiment. Alle
Arbeiten sollen rotieren, es gibt keine Hierarchien.
Vom Camp gehen seit Samstag verschiedene Aktionen wie Strassentheater,
Informationsveranstaltungen, Besuche in den Banlieus, spontane
Besuche in
rassistischen Institutionen sowie Demonstrationen statt. Innerhalb
des Camps gibt es
unzählige Workshops z.B. zu den Themen Migration, Grenzen,
staatliche
Flüchtlingspolitik, Repression, Psychiatrie, Gefängnis,
Patriarchat und Rassismus
statt. Das Ganze wird vom Campradio auf der Frequenz 100,6 MHZ
begleitet.
THEATER UND DEMONSTRATION GEGEN ÜBERWACHUNGSKAMERAS AM DIENSTAG
Gegen 16.45 Uhr versammelten sich ca. 300-400 AktivistInnen,
um in der
Strasbourger Innenstadt einer Aufführung der " Publik Volx
Theater Karawane "
beizuwohnen. Am Bahnhof sowie einigen Zu/Ausgängen des
Platzes war massive
Polizeipräsenz. Die Samba-Gruppe sorgte für eine super
Stimmung. Als die Musik
verstummte, begann die Theatergruppe mit der Aufführung
ihres Theaterstückes.
Zahlreiche PassantInnen blieben stehen, und applaudierten. Gegen
Ende der
Aufführung kam es zu einer Atacke der örtlichen Polizei,
welche einige TänzerInnen
angriffen. Die Angreifer wurden friedlich und entschlossen zurückgewiesen.
Mit fröhlicher Samba-Musik ging es dann entschlossen und
gemeinsam durch die
Innenstadt. Die Sprechchöre übertönten zeitweilig
selbst die Musik. Unter
anderem wurde ein Sex-Shop " dekoriert " - mit der Parole "
STOP SEXISM " und der
Besitzer mit Farbbeuteln eingedeckt, als er sich über die
Aktion beschwerte.
Die Demonstration kam an mehreren Überwachungskameras vorbei.
Sie waren in
einer unerreichbaren Höhe installiert - nichtsdestotrotz
gelang es einigen
AktivistInnen wenigstens eine auszuschalten. Desweiteren wurde
elektrisch
betriebenen Werbetafeln der Strom genommen.
Nach der Aktion in den Accor Hotels am Montag und der Demonstartion
am
Dienstag gab der Bürgermeister der Stadt bekannt, dass
die die " Sicherheit und
Ordnung " durch die städtischen Sicherheitskräfte
nicht mehr gewährleistet sei
und er die Verantwortung nun dem Department übertragen
würde.
DIE DEMONSTRATION AM MITTWOCH
Am Mittwoch fand eine Demonstration unter dem Motto " Für
Bewegungsfreiheit
" in der Innenstadt statt. Zwischen 700 und 1.000 Menschen wollten
vom Place
de la Republique durch die Stadt ziehen.
Die Polizei hat die Demonstration kurz darauf angegriffen und
die etwa
50köpfige Sambagruppe von der Demo abgespalten. Unter massivem
Beschuß mit
Tränengas und Gummigeschossen (die erst seit kurzem in
Frankreich erlaubt sind)
wurden die TeilnehmerInnen durch die Straßen getrieben.
Dabei wurden auch
zahlreiche TouristInnen und BewohnerInnen von Tränengas
und Gummigeschossen
getroffen. Die Demonstration wurde aufgelöst. Es gab mehrere
Verletzte und mindestens
16 bestätigte Festnahmen. 4 von ihnen sind bisher freigelassen
worden, der
Verbleib von 4 weiteren ist unklar.
Einzelnen Berichten zufolge verweigert die Polizei seit gestern
jeden
weiteren Dialog, angeblich wurden Spezialkräfte angefordert
die in der Nacht
eintreffen sollten.
DER AKTUELLE STAND IM CAMP AM DONNERSTAG
Am Morgen kam der Polizeipräfekt Strasbourgs zum Camp, um
eine Verfügung zu
überreichen. Die Verfügung besagt, dass bis Samstag,
0 Uhr, jede
Demonstration des Camps untersagt würde. Sie wurde von
Niemandem des Camps in Empfang
genommen.
Gegen Mittag wollte der Bus der Publix Theater Karawane aus
Österreich wie
jeden Tag vor dem Hauptbahnhof parken, um dort mit Theater und
Flugblättern
auf die Anliegen des No Border Camps aufmerksam zu machen.
Mehrere Hundert Polizisten machten die Insassen des Busses darauf
aufmerksam, dass nicht nur jede Demonstration, sondern auch
jede andere Aktion die vom
Camp ausginge verboten sei. Jede Ansammlung über 3 Personen
werde als
Demonstration betrachtet und aufgelöst. Zudem würden
alle Autos, die in der Stadt
mit mehreren dem Camp zugeordneten Personen angetroffen würden,
aufgefordert
die Stadt via Kehl (Deutschland) zu verlassen.
Die Präfektur scheint entschlossen, jede Artikulation des
Camps zu
verhindern. Die Stadtregierung scheint um einen reibungslosen
Ablauf des Strasbourger
Markts, der als touristische Attraktion vermutlich 100.000 BesucherInnen
anzieht, besorgt. Mit der Kriminalisierung der Aktionen und
Demonstration
versucht die Stadt, das Anliegen des Camps in der Öffentlichkeit
zu diskreditieren
oder gar nicht erst zu ermöglichen. Es gibt Vermutungen,
dass das Camp sogar
vor Samstag aufgelöst werden soll.
Dennoch sind etwa 2.000 Leute auf dem Camp präsent und
diskutieren zur Zeit,
wie mit der Repression umgegangen werden soll. Geplant sind
für heute
Strassentheateraktionen auf mehreren Brücken der Stadt.
HINTERGRUND: AUFRUF ZUM INTERNATIONALEN GRENZCAMP IN STRASBOURG
VOM 19.7 -
28.7.2002
Gemeinsamer Aufruf des europäischen noborder Netzwerks.
Bewegungsfreiheit und die Freiheit sich niederzulassen sind
grundlegende
menschliche Bedürfnisse. Migration ist eine Tatsache, seine
Autonomie könnte und
kann nicht reguliert werden, so wie Staaten und transnationale
Organisationen es wünschen würden. Migration ist eine
Konsequenz der ökonomischen
Ausbeutung, der politischen Unterdrückung und des Krieges
aber auch des berechtigten
Interesses der Leute, ein besseres Leben oder andere Lebenumstände
zu finden.
Bewegungfreiheit für alle muß eine Realität werden,
die wir mit allen
möglichen und notwendigen Mittel erkämpfen müssen.
Bewegungsfreiheit ist eine zentrale Forderung in den letzten
Jahren gewesen,
als Grassroot-Gruppen begannen, noborder-Camps an den unterschiedlichen
Grenzen der Festung Europa zu organisieren: gegen die Aufrüstung
der Grenzen um
Europa, mit ihren Waffen, Kontrolltechnologien und der rassistischen
Unterstützung vieler Leute in den europäischen Ländern.
Das ist das Gegenteil unserer
Träume von der Schaffung einer Welt ohne Grenzen.
Wir leben in einem weltweiten, kapitalistischen System, das die
Leute
auseinanderdividiert. Dieses System der Ausbeutung und des Ausschlußes
wird durch
die internen und externen Grenzen der Festung Europa oder das
sogenannte "
Schengenland " getragen. Es basiert auf rassistischen Gesetzen
und der Barbarei
der Internierung und der Deportation. Tausende von Leuten sind
durch dieses
Grenzregimes umgekommen.
Wir werden z.Z. Zeugen eines Erstarkens des repressiven Staatsapparates
in
der ganzen Welt. Zugleich ist die Kontrolle der inländischen
Bevölkerung und
der Bewegung der Leute über Staatesgrenzen hinweg nichts
Neues. Sie hat sich
beschleunigt nach den Angriffen gegen das WTC und das Pentagon
als die
Herrschenden ihren " Krieg gegen den Terrorismus " genutzt haben,
um neue
drakonische Kontroll-Massnahmen durchzudrücken. Nach dem
Vorschlag zur Schaffung einer
europäischen Aufstandsbekämpfungseinheit, kommt jetzt
das Projekt eines
europäischen Haftbefehls und die Einigung auf gemeinsame
Antiterror-Gesetze.
Hinter dem Vorwand der " Terrorismusbekämpfung " verbirgt
sich das eigentliche
Ziel, die Kontrolle über das tägliche Leben und Kämpfen
aller zu verstärken.
Wir versuchen, gegen die Instrumente der staatlichen Kontrolle
direkt
vorzugehen in allen ihren vielfältigen Formen. Als Teil
dieses Kampfes organisiert
das noborder-Netzwerk ein Grenzcamp im Sommer 2002 in Strasbourg,
Frankreich.
Strasbourg ist der Sitz des Schengener Informationssystems (SIS),
einem
zentralen Baustein des Kontrollapparates. Diese Such- und Kontrolldatenbank
mit
10 tausenden Terminals in ganz Europa zielt in erster Linie
auf MigrantInnen.
Gleichwohl wird es nicht nur bei Grenzstationen eingesetzt,
sondern dient
auch der Ausdehnung der staatlichen Kontrolle auf allen Strassen.
Das SIS kann
schnell befragt werden sowohl um festzustellen ob eine Person
zur Festnahme
oder Abschiebung ausgeschrieben ist oder aber andere Informationen
zur
Verfügung stellen, die verwendet werden, um die Bewegungen
und die Tätigkeiten einer
Einzelperson zu überwachen.
Gegen dieses Instrument der Kontrolle und Unterdrückung
möchten wir in
Strasbourg mit unseren Protesten und unserer Kritik an den europäischen
Institutionen und den durch sie vertretenen Interessen präsent
sein.
Wir möchten gegen alle Formen der Ausbeutung und Spaltung
angehen , indem
wir zusammenarbeiten um neue Formen der Zusammenarbeit und des
Widerstandes zu
entwickeln. Wir möchten eine Plattform für Informationsaustausch
und
Erfahrung unter den Gruppen und Einzelpersonen schaffen, die
aus unterschiedlichen
politischen Kämpfen mit einer emanzipatorischen antikapitalistischen
Perspektive kommen.
Wir möchten mit selbstorganisierten Gruppen von MigrantInnen
zusammenarbeiten. Wir möchten Kontakte zwischen Leuten
mit unterschiedlichen politischen
Praxen und mit unterschiedlicher regionaler Erfahrung herstellen.
Das noborder-Camp wird eine Vielzahl der direkten Aktionen einschliessen,
angefangen mit allgemeinen Demonstrationen bis hin zu den Formen
der
Kommunikationsguerilla.
Das Lager wird Raum geben für eine Menge internationaler
Diskussionen und
workshops und wir beabsichtigen, ein 10-Tage-Laboratorium für
kreativen
Widerstand und zivilen Ungehorsam schaffen.
Das Strasbourg Camp drückt unsere Fähigkeit aus, unsere
eigenen Orte und
Präsenzen, der Aktion und der Kommunikation selbst zu bestimmen.
Wir laden alle interessierten Leute ein zu kommen und teilzunehmen,
zu
diesem internationalen Event beizutragen und es zu unterstützen
...
Agreed on by the European noborder network on 02.dec.2001
INFOGRUPPE BERLIN
Die Berliner Gipfelsoli-Infogruppe ist hervorgegangen aus der
Infogruppe der
Genuagefangenen. Wir sind unter gipfelsoli@gmx.de zu erreichen.
Wir haben
einen Email-Verteiler angelegt, über den aktuelle Nachrichten
zu Prozessen in
Göteborg und Genua (und andere Aktivitäten wie z.B.
die Mobilisierung zu EU-,
G 8- oder Nato-Gipfeln oder internationalen Camps) verschickt
werden.
Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst
sind, sind mit
eckigen Klammern versehen. Wir können leider nicht für
die Richtigkeit der
Beiträge garantieren.
Wenn ihr in den Verteiler aufgenommen (oder gelöscht) werden
wollt, schickt
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