Am 23.1.01 überquert Mafalda zusammen mit 9 anderen Personen in
einem Kleinbus die Schweizer Grenze um nach Basel zu fahren.Nach Überquerung
der Grenze wird die Gruppe von 4 - 6 Zöllnern angehalten und muss
auf den Grenzposten Fahy mitkommen. Ein Vorgesetzter will wissen, ob sie
nach Davos fahren wollen. Die Gruppe nennt als Ziel Basel. Das übliche
Filzen beginnt, die die gespeicherten Telefonnummern auf den Handies werden
von den Zöllnern kopiert. Mafalda wird als einzige der Gruppe mitgeteilt,
dass sie eine Einreisesperre habe - wegen Prag. Mafalda weist darauf hin,
dass sie wegen Prag weder angeklagt noch verurteilt worden sei und verlangt
eine schriftliche Begründung für die Einreisesperre. Die Zöllner
telefonieren mit «Bern». Die «Zentrale» bestätigt
die Einreisesperre für Mafalda per Fax. Per Fax werden auch bei der
aufgefundene Dokumente und Tel.-Listen nach Bern gefaxt. Nach stundenlangem
Festsitzen an der Grenze bleibt der Gruppe nichts anderes übrig als
Umzukehren.
Die zuerst nur auf Deutsch vorhandene Einreisesperre-Verfügung
wird auf Verlangen Mafaldas (in Bern) auf Französisch übersetzt.
Die Einreisesperre datiert vom 11.11.01 und gilt vom 15.-31.1.01. Begründung
der vom Dienst für Analyse und Prävention ausgestellten Einreisesperre
(gem. Art. 13 Abs.1 ANAG), der die aufscheibende Wirkung bei allfälliger
Beschwerde entzogen worden ist: «Frau Mafalda beteiligte sich aktiv
an einer gewalttätigen Demonstration gegen die Sitzung der Weltbank
und des IMF im September 2000 in Prag, an welcher Personen verletzt wurden
und grosser Sachschaden entstand. In den letzten Jahren wurde vesucht,
auch das World Economic Forum (WEF) in Davos durch ähnliche Aktionen
zu stören. Die zuständigen Behörden lehnten deshalb ein
Gesuch für eine Demonstration anlässlich des WEF 2001 in Davos
ab. Trotzdem wird intensiv für eine Kundgebung am 27. Januar 2001
in Davos aufgerufen. Es gilt zu verhindern,, dass gewaltbereite Aktivisten
den geordneten Ablauf des WEF stören sowie die Sicherheit der Teilnehmer
und der Schweiz gefährden könnten.» Die Einreisesperre
wird auch an die Fahndungs-Datenbank RIPOL weitergegeben.
Mafalda wehrt sich juristisch
Mafalda nimmt sich einen Anwalt. Dieser erhebt am 22.2.01 Beschwerde
und beantragt die Nichtigkeit/Aufhebung der Einreisesperre, die offizielle
Feststellung, dass Mafalda keine Gefahr für die innere Sicherheit
der Schweiz darstellt, dass die Prag betreffenden Daten über Mafalda
in den Datenbanken AUPER, ZAR, ISIS, ZAN, JANUS, etc. gelöscht werden.
Was den Beschwerdedienst des EJPD vorerst am Dringlichsten erscheint, ist
die Frage, ob Mafalda über haupt bedürftig genug sei, um auf
unentgeltliche Prozessführung Anspruch zu haben (schliesslich unternehme
sie viele Reisen ins Ausland...). Weit interessanter die Antwort von Urs
von Daeniken (DAP) vom 25.4.01 auf die Beschwerde (Auszug):
«(...) Die Diktion der militanten WEF-Gegner, insbesondere der
seit 1998 in Erscheinung getretenen Anti-WTO-Koordination, machte deutlich,
dass sie das WEF 2001 in die Reihe der misslungenen Konferenzen einzureihen
beabsichtigt. Von Seiten der Globalisierungsgegner wurde im Vorfeld des
WEF in einem für die Schweiz noch nie dagewesenen Umfang eine grosse
internationale Mobilisierung betrieben. Das Ziel bestand in der massiven
Störung oder gar vollständigen Verhinderung des diesjährigen
sowie aller künftigen WEF-Treffen in Davos. So waren während
der ganzen Veranstaltungsdauer flächendeckende Aktionen geplant, bei
denen teilweise mit erheblicher Militanz gerechnet werden musste. Die Anreise
und Mobilisierung im Ausland lag meist in den Händen der lokal aktiven
Gruppen, die allerdings in Kontakt mit schweizerischen Organisationen standen
und zum Teil bereits an den gewalttätigen Ausschreitungen in Prag
und Nizza aktiv gewesen waren. Bei diesen Teilnehmern handelt es sich ganz
klar um einen harten Kern, der auch längere Reisen auf sich nimmt,
um an Antiglobalisierungskundgebungen mitzumachen. (...) Die zuständigen
Behörden erarbeiteten vor diesem Hintergrund ein Konzept, das den
Schutz der WEF-Teilnehmer und die Gewährleistung eines störungsfreien
Ablaufs dieses Anlasses sicherzustellen hatte. Die im Rahmen der nationalen
und internationalen Zusammenarbeit beschafften Daten wurden vor allem zwecks
Erstellung von Lageberurteilungen verwendet und ermöglichten u.a.
den Erlass von Einreisesperren während der Dauer des WEF. Diese richteten
sich gegen Personen, von denen wegen ihrer früheren Aktivitäten
im Rahmen der Antiglobalsierungskampagne anzunehmen war, dass sie sich
erneut aktiv und agressiv für ihre Ziele einsetzen würden.
Nach unserer Erkenntnisse war die Beschwerdeführerin aktiv und
aggressiv an den Krawallen gegen 55. IMF- und Weltbank-Gipfel in Prag beteiligt.
Um ihre Teilnahme an der nicht bewilligten Kundgebung vom 27. Januar 2001
in Davos, an welcher wie in den letzten Jahren mit gewalttätigen Aktionen
zu rechnen war, zu verhindern, erliess das Bundesamt für Polizei am
15. Januar aus vorsorglichen Gründen gegen sie eine bis zum 31. Januar
2001 befristete Einreisesperre. Es konnte nicht geduldet werden, dass gewaltbereite
Aktivisten den geordneten Ablauf des WEF stören sowie die Sicherheit
der Teilnehmer und der Schweiz gefährden konnten.»
Mafalda und Big Brothers Tagebuch
Und im Zusammenhang mit der Forderung von Mafaldas Anwalt nach Einsicht
in alle Akten, schreibt das DAP:«Wie dargelegt, stellte Frau Mafalda
im damaligen Zeitpunkt ein Sicherheitsrisiko dar. Die angefallenen Akten
im Zusammenhang mit den ergriffenen Sicherheitsmassnahmen für eine
geordnete Durchführung des WEF sind aus Gründen überwiegenden
öffentlichen Interessen zur Einsichtnahme zu verweigern (Art 27 Abs.
1 Buchstabe a VwVG). Die im Verkehr mit dem Ausland ergangenen Informationen
unterliegen zusätzlich dem absoluten Quellenschutz von Art. 17 Abs.
7 BWIS.»
Am 1.6.01 schreibt der Beschwerdedienst des EJPD Mafaldas Anwalt in
einer Verfügung unter anderem: «(...) Mit Blick auf das vorliegende
Beschwerdeverfahren betrifft dies zur Hauptsache Aktenstücke, die
Geheimhaltungsverpflichtungen gegenüber ausländischen Staaten
unterliegen, Informationsquellen bekanntgeben oder Aufschlüsse über
die Art und Methoden der Informationsbeschaffung vermitteln. Aufgrund des
Gesagten werden wir Ihnen von den Akten des Bundesamtes für Polizei,
die insgesamt 58 Seiten umfassen (pag. 1-58), 12 Seiten in Fotokopie zugestellt.
Bei den nicht mitkopierten Unterlagen handelt es sich um folgende Aktenstücke:
Pag. 1-4 (Ermittlungsmethoden), pag. 6-14 (Drittinteressen), pag. 20 und
27 (interne Übermittlung), pag. 28 (interne Notiz), pag. 29-58 (ausländische
Quellen, Geheimhaltungsverpflichtungen). »
Am 15.6.01 erhebt Mafaldas Anwalt beim Bundesrat Beschwerde gegen die
Verfügung des EJPD-Beschwerdedienstes und verlangt gleichzeitig, dass
der Bundesrat (wegen Befangenheit in Sachen WEF) in den Ausstand trete
und der Fall von der Bundesversammlung entschieden wird.
Am 26.7.01 bezieht der Beschwerdedienst des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartements Stellung zur Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
und bestreitet die Befangenheit des Bundesrates. Ferner betrachtet der
Beschwerdedienst die Akteneinsichtsverweigerung für 46 von 58 Seiten
für gerechtfertigt.
Fortsetzung folgt...
Antirep-Koordination Bern