Megafon Januar 2002

Im Artikel über das BWIS und die VWIS haben wir gesehen was die Big Brothers und Sisters von BAP und DAP theoretisch für Möglichkeiten haben. Wenden wir uns der Praxis zu. Anhand eines konkreten Falles - der im September 2000 begann und dessen rechtliche Konsequenzen bis heute andauern - sei dargelegt, was passiert, wenn mensch einmal als GewaltextremistIn in einer Datenbank verzeichnet ist.

Mafalda und der Dienst für Analyse und Prävention

Mafalda in Prag und an der Schweizer Grenze
Prag, 22. September 2000 - Aktionstage gegen die IMF-Tagung. Mafalda, 20-jährige Politologie-Studentin aus Grenoble hält sich in Prag auf. Zusammen mit einer Gruppe FranzösInnen und BelgierInnen wird sie am 26.9.01 festgenommen und erst nach 26 Stunden wieder freigelassen. Die Festnahme Mafaldas erfolgt willkürlich - weder hat sie sich an gewalttätigen Demonstrationen beteiligt noch hat sie sich sonst wie gewaltbereit gezeigt.

Am 23.1.01 überquert Mafalda zusammen mit 9 anderen Personen in einem Kleinbus die Schweizer Grenze um nach Basel zu fahren.Nach Überquerung der Grenze wird die Gruppe von 4 - 6 Zöllnern angehalten und muss auf den Grenzposten Fahy mitkommen. Ein Vorgesetzter will wissen, ob sie nach Davos fahren wollen. Die Gruppe nennt als Ziel Basel. Das übliche Filzen beginnt, die die gespeicherten Telefonnummern auf den Handies werden von den Zöllnern kopiert. Mafalda wird als einzige der Gruppe mitgeteilt, dass sie eine Einreisesperre habe - wegen Prag. Mafalda weist darauf hin, dass sie wegen Prag weder angeklagt noch verurteilt worden sei und verlangt eine schriftliche Begründung für die Einreisesperre. Die Zöllner telefonieren mit «Bern». Die «Zentrale» bestätigt die Einreisesperre für Mafalda per Fax. Per Fax werden auch bei der aufgefundene Dokumente und Tel.-Listen nach Bern gefaxt. Nach stundenlangem Festsitzen an der Grenze bleibt der Gruppe nichts anderes übrig als Umzukehren.
Die zuerst nur auf Deutsch vorhandene Einreisesperre-Verfügung wird auf Verlangen Mafaldas (in Bern) auf Französisch übersetzt. Die Einreisesperre datiert vom 11.11.01 und gilt vom 15.-31.1.01. Begründung der vom Dienst für Analyse und Prävention ausgestellten Einreisesperre (gem. Art. 13 Abs.1 ANAG), der die aufscheibende Wirkung bei allfälliger Beschwerde entzogen worden ist: «Frau Mafalda beteiligte sich aktiv an einer gewalttätigen Demonstration gegen die Sitzung der Weltbank und des IMF im September 2000 in Prag, an welcher Personen verletzt wurden und grosser Sachschaden entstand. In den letzten Jahren wurde vesucht, auch das World Economic Forum (WEF) in Davos durch ähnliche Aktionen zu stören. Die zuständigen Behörden lehnten deshalb ein Gesuch für eine Demonstration anlässlich des WEF 2001 in Davos ab. Trotzdem wird intensiv für eine Kundgebung am 27. Januar 2001 in Davos aufgerufen. Es gilt zu verhindern,, dass gewaltbereite Aktivisten den geordneten Ablauf des WEF stören sowie die Sicherheit der Teilnehmer und der Schweiz gefährden könnten.» Die Einreisesperre wird auch an die Fahndungs-Datenbank RIPOL weitergegeben.

Mafalda wehrt sich juristisch
Mafalda nimmt sich einen Anwalt. Dieser erhebt am 22.2.01 Beschwerde und beantragt die Nichtigkeit/Aufhebung der Einreisesperre, die offizielle Feststellung, dass Mafalda keine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz darstellt, dass die Prag betreffenden Daten über Mafalda in den Datenbanken AUPER, ZAR, ISIS, ZAN, JANUS, etc. gelöscht werden. Was den Beschwerdedienst des EJPD vorerst am Dringlichsten erscheint, ist die Frage, ob Mafalda über haupt bedürftig genug sei, um auf unentgeltliche Prozessführung Anspruch zu haben (schliesslich unternehme sie viele Reisen ins Ausland...). Weit interessanter die Antwort von Urs von Daeniken (DAP) vom 25.4.01 auf die Beschwerde (Auszug):
«(...) Die Diktion der militanten WEF-Gegner, insbesondere der seit 1998 in Erscheinung getretenen Anti-WTO-Koordination, machte deutlich, dass sie das WEF 2001 in die Reihe der misslungenen Konferenzen einzureihen beabsichtigt. Von Seiten der Globalisierungsgegner wurde im Vorfeld des WEF in einem für die Schweiz noch nie dagewesenen Umfang eine grosse internationale Mobilisierung betrieben. Das Ziel bestand in der massiven Störung oder gar vollständigen Verhinderung des diesjährigen sowie aller künftigen WEF-Treffen in Davos. So waren während der ganzen Veranstaltungsdauer flächendeckende Aktionen geplant, bei denen teilweise mit erheblicher Militanz gerechnet werden musste. Die Anreise und Mobilisierung im Ausland lag meist in den Händen der lokal aktiven Gruppen, die allerdings in Kontakt mit schweizerischen Organisationen standen und zum Teil bereits an den gewalttätigen Ausschreitungen in Prag und Nizza aktiv gewesen waren. Bei diesen Teilnehmern handelt es sich ganz klar um einen harten Kern, der auch längere Reisen auf sich nimmt, um an Antiglobalisierungskundgebungen mitzumachen. (...) Die zuständigen Behörden erarbeiteten vor diesem Hintergrund ein Konzept, das den Schutz der WEF-Teilnehmer und die Gewährleistung eines störungsfreien Ablaufs dieses Anlasses sicherzustellen hatte. Die im Rahmen der nationalen und internationalen Zusammenarbeit beschafften Daten wurden vor allem zwecks Erstellung von Lageberurteilungen verwendet und ermöglichten u.a. den Erlass von Einreisesperren während der Dauer des WEF. Diese richteten sich gegen Personen, von denen wegen ihrer früheren Aktivitäten im Rahmen der Antiglobalsierungskampagne anzunehmen war, dass sie sich erneut aktiv und agressiv für ihre Ziele einsetzen würden.
Nach unserer Erkenntnisse war die Beschwerdeführerin aktiv und aggressiv an den Krawallen gegen 55. IMF- und Weltbank-Gipfel in Prag beteiligt. Um ihre Teilnahme an der nicht bewilligten Kundgebung vom 27. Januar 2001 in Davos, an welcher wie in den letzten Jahren mit gewalttätigen Aktionen zu rechnen war, zu verhindern, erliess das Bundesamt für Polizei am 15. Januar aus vorsorglichen Gründen gegen sie eine bis zum 31. Januar 2001 befristete Einreisesperre. Es konnte nicht geduldet werden, dass gewaltbereite Aktivisten den geordneten Ablauf des WEF stören sowie die Sicherheit der Teilnehmer und der Schweiz gefährden konnten.»

Mafalda und Big Brothers Tagebuch
Und im Zusammenhang mit der Forderung von Mafaldas Anwalt nach Einsicht  in alle Akten, schreibt das DAP:«Wie dargelegt, stellte Frau Mafalda im damaligen Zeitpunkt ein Sicherheitsrisiko dar. Die angefallenen Akten im Zusammenhang mit den ergriffenen Sicherheitsmassnahmen für eine geordnete Durchführung des WEF sind aus Gründen überwiegenden öffentlichen Interessen zur Einsichtnahme zu verweigern (Art 27 Abs. 1 Buchstabe a VwVG). Die im Verkehr mit dem Ausland ergangenen Informationen unterliegen zusätzlich dem absoluten Quellenschutz von Art. 17 Abs. 7 BWIS.»

Am 1.6.01 schreibt der Beschwerdedienst des EJPD Mafaldas Anwalt in einer Verfügung unter anderem: «(...) Mit Blick auf das vorliegende Beschwerdeverfahren betrifft dies zur Hauptsache Aktenstücke, die Geheimhaltungsverpflichtungen gegenüber ausländischen Staaten unterliegen, Informationsquellen bekanntgeben oder Aufschlüsse über die Art und Methoden der Informationsbeschaffung vermitteln. Aufgrund des Gesagten werden wir Ihnen von den Akten des Bundesamtes für Polizei, die insgesamt 58 Seiten umfassen (pag. 1-58), 12 Seiten in Fotokopie zugestellt. Bei den nicht mitkopierten Unterlagen handelt es sich um folgende Aktenstücke: Pag. 1-4 (Ermittlungsmethoden), pag. 6-14 (Drittinteressen), pag. 20 und 27 (interne Übermittlung), pag. 28 (interne Notiz), pag. 29-58 (ausländische Quellen, Geheimhaltungsverpflichtungen). »
Am 15.6.01 erhebt Mafaldas Anwalt beim Bundesrat Beschwerde gegen die Verfügung des EJPD-Beschwerdedienstes und verlangt gleichzeitig, dass der Bundesrat (wegen Befangenheit in Sachen WEF) in den Ausstand trete und der Fall von der Bundesversammlung entschieden wird.
Am 26.7.01 bezieht der Beschwerdedienst des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements Stellung zur Beschwerde gegen die Zwischenverfügung und bestreitet die Befangenheit des Bundesrates. Ferner betrachtet der Beschwerdedienst die Akteneinsichtsverweigerung für 46 von 58 Seiten für gerechtfertigt.

Fortsetzung folgt...
 

Antirep-Koordination Bern